Der finnische Weg

MB – 04/2023

Während in Frankreich der Kampf um das höhere Renteneintrittsalter auch nach Inkrafttreten der Rentenreform weitergeht, hat man im hohen Norden den vorzeitigen Rentenbezug weitestgehend abgeschafft und das Renteneintrittsalter für die Altersrente an die Lebenserwartung gekoppelt. Es gab keine Straßenkämpfe nach französischem Vorbild – ganz im Gegenteil: die Finnen sind weiterhin die glücklichsten Menschen auf der Erde, obwohl sie länger arbeiten sollen.

Finnland Ausgangslage ist vergleichbar mit vielen europäischen Ländern

Viele europäische Länder kennen das Problem der zunehmenden umgekehrten Alterspyramide – das Verhältnis zwischen Rentenbezieherinnen und -bezieher sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändert sich zu Lasten der Beitragszahlerinnen und -zahler. Finnland macht da keine Ausnahme bzw. ist aktuell sogar stärker als Deutschland betroffen, wie die Zahlen der OECD zeigen. Wie in Deutschland ist auch in Finnland die Geburtenrate gering; anders als in Deutschland ist aber auch die Immigration auf niedrigem Niveau.

Der finnische Weg

Die finnische Regierung hat bereits sehr früh auf diese ungünstigen Vorzeichen reagiert. Sie hat 2005 und 2017 Rentenreformen auf den Weg gebracht, die bereits erste positive Ergebnisse zeigen. Sie hat dabei durchaus unpopuläre Maßnahmen ergriffen, die aber keinen Sturm der Entrüstung bei der Bevölkerung hervorgerufen haben.

Das finnische Rentensystem besteht aus einem Volksrenten- und einem Beschäftigtenrentensystem. Das Volksversicherungssystem stellt dabei allen Einwohnerinnen und Einwohnern eine erwerbsunabhängige Grundsicherung zur Verfügung. Parallel zur Einwohnerversicherung wird nahezu die gesamte erwerbstätige Bevölkerung des Landes vom Beschäftigtenversicherungssystem erfasst.

In beiden Systemen wurde die vorzeitige Altersrente und die Rente wegen Arbeitslosigkeit weitestgehend abgeschafft bzw. durch eine vorzeitige Teilaltersrente ersetzt.

2017 wurde dann das Renteneintrittsalter in beiden Systemen an die Lebenserwartung gekoppelt. Ferner besteht für diejenigen, deren Rente aus dem Beschäftigtenrentensystem mehr als 1500 EUR/mtl. beträgt,  kein Anspruch auf die Volksrente, weil beide Leistungen als Gesamtleistung betrachtet werden. Um dies möglichst transparent für die finnische Bevölkerung zu machen, wurden digitale Auskunftsverfahren entwickelt, die den Versicherten jederzeit Auskünfte über ihr persönliches Rentenalter und die zu erwartende Altersrente geben.

Auf dem richtigen Pfad

Die Reformen scheinen zu greifen, da immer mehr Menschen länger im Erwerbsleben bleiben und insbesondere auch Arbeiterinnen und Arbeitnehmer mit geringer Qualifzierung. Ein Schlüssel um dieses Ziel zu erreichen ist eine Verbesserung und Verstetigung der Weiterbildung sowie Qualifizierung von Beschäftigten, was auch dem Grundsatz 1 der europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) entspricht. Ferner ist auch effektive frühzeitige Bildung und gute Kinderfürsorge ein wichtiger Aspekt. Dieser Aspekt wurde auch von einer Expertengruppe (High-Level Group) bestätigt, die die Europäische Kommission im Rahmen des Aktionsplans zur ESSR eingesetzt hat.

Flankiert wird das Ganze durch flexible Arbeitszeitregelungen, so dass insbesondere ältere Beschäftigte länger im Beruf verbleiben beziehungsweise auch der Pflege von Angehörigen bei Bedarf gerecht werden können.