EU-Rahmenvereinbarung ab 1.7.23

MB – 05/2023

Viele Bürobeschäftigte haben in der Pandemie im Homeoffice gearbeitet. Diese Entwicklung hat sich nunmehr verstetigt: viele „Schreibtischtäterin und -täter“ sitzen auch nach dem Ende der Pandemie nicht wieder dauerhaft im Büro, sondern arbeiten jetzt verstärkt und teilweise ganz von zu Hause. Das gibt es auch im grenzüberschreitenden Bereich und da steht die Frage im Raum, wo man eigentlich versichert ist. Hier kommt das Recht zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (VO 883/2004)) ins Spiel.

Was sieht das Koordinierungsrecht grundsätzlich vor?

In der VO Nr. 883/2004 gibt es im Titel ll die Bestimmungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften (sog. Kollisionsnormen). Ein wichtiger Grundsatz aus Art. 11 VO 883/2004 ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbständige regelmäßig nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterstellt werden und dies grundsätzlich das Land sein soll, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Bei Arbeitnehmern richten sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften regelmäßig nach dem Beschäftigungsort. Wenn es eine feste Betriebsstätte gibt, dann ist die Zuordnung zum Recht eines Mitgliedstaates insofern leicht. Bei Telearbeiterinnen und Telearbeitern ist das aber nicht ganz leicht, weil sie teilweise an verschiedenen Orten arbeiten (einen Teil zu Hause/ einen Teil im Büro) und evtl. auch eine Staatsgrenze dazwischen liegen kann. Insofern sind sie Beschäftigte mit mehreren Beschäftigsorten in verschiedenen Staaten und hier kennt Art. 13 VO 883/2003 zwei Anknüpfungspunkte:


  • Es gelten die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates, wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer auch dort einen wesentlichen Teil ihrer Beschäftigung ausüben.
  • Ansonsten gelten die Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

Was hat man sich für die Telearbeiterinnen und -arbeiter überlegt?

Während der Pandemie ist man übereingekommen, dass man die bisherige Rechtsanwendung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice nicht verändern möchte und es daher zu keinem Zuständigkeitswechsel hinsichtlich des zuständigen Mitgliedstaats kommt. Also wenn jemand bisher in Deutschland versichert war, weil dort der Beschäftigungsort beim deutschen Arbeitgeber liegt, die Person aber zwischenzeitlich überwiegend von zu Hause in Frankreich arbeitet, dann bleibt es bei der Anwendung deutschen Rechts. Diese Festlegung gilt bis 30.6.2023.

Ab 1.7.2023 soll jetzt eine Rahmenvereinbarung eine vereinfachte, sachgerechte Lösung anbieten. Art. 16 Abs. VO 883/2004 ist als sog. Ausnahmevereinbarung Rechtsgrundlage, damit Mitgliedstaaten im Einzelfall eine bestimmte Rechtsanwendung abweichend von den allgemeinen Kollisionsnormen vereinbaren können. Hier soll zukünftig der Sitz des Arbeitsgebers entscheidend sein, sofern das „Homeoffice“ weniger als 50% der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers ausmacht. Grundvoraussetzung ist dabei, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ihren Wohnsitz/ Sitz in Mitgliedstaaten haben, die die allgemeine Rahmenvereinbarung nach Art. 16 Abs. 1 VO 883/2004 unterzeichnet haben. Auch das Verfahren wird vereinfacht, weil nur die zuständige Stelle im Mitgliedstaat des Sitzes des Arbeitgebers prüft, ob die Voraussetzungen der Rahmenvereinbarung im Einzelfall vorliegen. Ist dies der Fall, wird eine A1-Bescheinigung ausgestellt und zwischen den Trägern im Rahmen vom elektronischen Austausch der Daten zwischen den Sozialversicherungsträgern (EESSI) ausgetauscht. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erhalten ebenfalls einen A1 als Nachweis.

Welche Mitgliedstaaten machen mit?

Neben dem GKV-Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland als zuständiger Stelle in Deutschland, werden voraussichtlich auch die zuständigen Stellen in Belgien und Österreich die vorgenannte Rahmenvereinbarung unterzeichnen. Auch die Niederlande hat bereits angekündigt, der Rahmenvereinbarung zu folgen. Es ist davon auszugehen, dass noch weitere Mitgliedstaaten mitmachen.