
Digitale Koordinierung auf EU-Ebene
Interoperabilität wird vom Europäischen Parlament begrüßt
MB – 07/2023
Die Europäische Kommission hat am 18.
November 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung für
ein interoperables Europa vorgelegt. Der lateinische Begriff Interoperabilität beschreibt dabei
vereinfacht ausgedrückt die Eigenschaft, untereinander zu kommunizieren und
spezifiziert zusammenzuarbeiten.
Die digitale Dekade
Der Verordnungsentwurf soll dazu beitragen,
den „digitalen Kompass 2030“ umzusetzen, der vier
„Himmelsrichtungen“ kennt. Eine ist die „Digitalisierung öffentlicher Dienste“: im digitalen Binnenmarkt sollen auch Bürgerinnen und Bürgern mit der Verwaltung
elektronisch kommunizieren.
Der Rahmen der Interoperabilität für die Sozialversicherung
Interoperabilität wirkt sich unmittelbar
auf die Sozialversicherungsträger aus. Der vorgenannte Entwurf steht in Bezug
zur Verordnung (EU) Nr. 2018/1724, auch „Single Digital Gateway“ (SDG)
genannt. Dieses einheitliche, digitale Zugangstor für die EU-Bürgerinnen und
Bürger ist bereits „am Start“.
In der SDG-Verordnung wird bestimmt,
dass in dem digitalen Zugangstor Informationen und Links zu Online-Verfahren
aufzunehmen sind, damit die EU-Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte und Pflichten
wahrnehmen können (zum Beispiel digitale Geburtsurkunden und Meldebestätigungen).
Die
Sozialversicherungszweige sind unmittelbar betroffen, da in den Anhängen l und
ll zur SDG-Verordnung bestimmte Kernbereiche der Kranken-, Renten- und
Unfallversicherung genannt werden, zum Beispiel Arbeit und Ruhestand (dort A1-Verfahren und EHIC), medizinische
Versorgung oder Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.
Ferner nimmt der Entwurf Bezug auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission
zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014. Zielsetzung ist hier die Schaffung einer europäischen
digitalen Identität (eID) und die Einführung einer digitalen Brieftasche
(„wallet“). Die DSV hat in diesem Zusammenhang über den ESSPASS berichtet.
Die beiden vorgenannten Regelwerke stellen
darauf ab, dass öffentliche Dienstleistungen digital angeboten werden und
„amtliche Dokumente“ im „wallet“ verfügbar sind. Mit dem Vorschlag für ein interoperables
Europa soll ein rechtlich verbindlicher Koordinierungsrahmen geschaffen werden,
damit durch gemeinsame Abstimmung der digitale EU-Binnenmarkt erreicht werden
kann.
Wie denkt das Europäische Parlament darüber?
Im Europäischen Parlament waren unter
anderem die parlamentarischen Ausschüsse für bürgerliche Freiheiten, Justiz und
Inneres (LIBE), für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und für Industrie,
Forschung und Energie (ITRE) mit dem Entwurf befasst. Ferner haben sich der
Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie der Ausschuss der Regionen dazu
geäußert. Das Ergebnis vorweg: Der Rechtsakt wird insgesamt begrüßt.
Federführender Ausschuss war der ITRE,
der am 19. Juli abschließend über den Entwurf
beraten hat. IMCO und
LIBE hatten sich bereits vorab positioniert und ihre abschließenden Meinungen
formuliert. ITRE und IMCO und auch der
Ausschuss der Regionen haben unter anderem den Ansatz verfolgt, dass klarer werden
muss, von welchen öffentlichen Dienstleistungen die Rede ist. In der Kompromissversion
der Ausschüsse werden jetzt ausdrücklich Definitionen für „cross-border public
services“ und „key public services“ unter Bezugnahme auf den Beschluss (EU) Nr.
2022/2481 vom 14. Dezember 2022 zur digitalen Dekade aufgenommen. Im Artikel 2
Nummer 8 des vorgenannten Beschlusses werden als „wichtige öffentlichen
Dienstleistungen“ in Bezug auf natürliche Personen solche definiert, die besonders
wichtige Ereignisse des Lebens betreffen. Dazu dürfte zweifelsfrei auch die
Sozialversicherung gehören. Das Europäische Parlament ist damit zum Trilog
bereit.
Und der Rat?
Der Rat hat sich bisher noch nicht zu
dem Entwurf geäußert. Der Rat und das Europäische Parlament haben aber am 29.
Juni eine Einigung zur eID erreicht. Da die eID beziehungsweise die
„wallet“ interoperabel gedacht werden müssen, kann man davon ausgehen, dass der
Rat den Ansatz für die digitale Koordinierung mittragen wird.