
„Die Zukunft der Fernarbeit“
Gewerkschaftsstudie zeigt wichtige Fragestellungen auf
MB – 08/2023
Die Forschungsabteilung
des Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) hat sich in einer Studie mit der „Zukunft der Fernarbeit“ beschäftigt und ist in verschiedenen Kapiteln
wichtigen Fragestellungen nachgegangen. Am 19. Juli hat dazu die
Veranstaltung „Remote work: fundamental questions and the way forward“ stattgefunden, bei der auf die Studie und einzelne Inhalte näher eingegangen
wurde.
Was ist „Remote work“ oder Fernarbeit?
In erster Linie wird unter „Remote work“ Telearbeit verstanden; also Arbeit unter
Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien wie Smartphones,
Tablets, Laptops, die außerhalb eines
physischen Arbeitsplatzes bei einem Arbeitgeber erfolgt. Diese Form der Arbeit
hat durch die COVID-19 Pandemie erheblich zugenommen. Die Veränderungen, die die Pandemie in Bezug auf die Organisation
und Durchführung von Arbeit herbeigeführt hat, prägen heute große Teile der
Arbeitswelt. Mittlerweile gehört Telearbeit oder besser – das hybride Arbeiten
– da wo möglich zum Standard und wird sowohl von Arbeitgebern wie von Arbeitnehmern vielfach begrüßt.
Der grundlegende Wandel – laut der Studie wird bei der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von einem „Multilocation-Ansatz“
gesprochen – wirft verschiedene Fragestellungen auf:
- Wie und wo wird die Arbeit ausgeführt und welche
rechtlichen Folgen ergeben sich?
- Wie beeinflusst der „Multilocation-Ansatz“ das
Arbeitsleben?
- Wie wirkt sich diese Form der Arbeit ökologisch
und sozial aus?
Entkopplung vom „Arbeitsplatz“
Die zunehmende Fernarbeit führt dazu, dass das hergebrachte
Modell des Arbeitsverhältnisses hinterfragt werden muss und wird. Bei der
Diskussion, die in der Europäischen Union (EU) über die Plattformarbeit geführt
wird, geht es in erster Linie gerade darum, wie mit dieser Veränderung der
traditionellen Arbeitsverhältnisse umgegangen wird. Im Trilog über die
vorgeschlagene Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von
Plattformarbeit ist zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere die
sogenannte Beschäftigungsvermutung
beziehungsweise die Kriterien, die dafür relevant sein sollen, strittig. Der
Frage der „Unterordnung“ oder besser der Weisungsbefugnis als traditionellem
Kriterium wird auch in der Studie genauer beleuchtet.
Die Studie widmet sich ferner der Frage der
kostenorientierten Auslagerung von Arbeitskräften in Bezug auf die
Arbeitsmärkte in den USA, dem Vereinigten Königreich und Indien und zeigt auf,
dass durch die Auslagerung von Arbeitsplätzen die Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten regelmäßig schlechter werden. Auch in rechtlicher Hinsicht bleibt vieles offen beziehungsweise ungeregelt.
Rechtliche Fragestellungen
Der rechtliche Rahmen für die Fernarbeit ist ein grundlegendes Thema, da es hierbei nicht nur um die eigentlichen
Arbeitsbedingungen geht – also wo, wie, wie oft und womit arbeitet man – sondern
auch beispielsweise um die Folgen für die Koordinierung der anzuwendenden
Rechtsvorschriften, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in unterschiedlichen Ländern
ihren Sitz haben.
In der EU wird seit
dem 1. Juli 2023 die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung nach Art. 16
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 angeboten, damit in den entsprechenden
Einzelfällen sachgerechte sozialversicherungsrechtliche Zuordnungen erfolgen
können, wenn Beschäftigte in einem anderen Land als dem Sitz ihres Arbeitgebers
leben und dort im Homeoffice tätig sind.
Ökologische und soziale Aspekte
Die Studie geht auch der Frage nach, ob Fernarbeit ein
sinnvoller Beitrag zum ökologischen Wandel ist und stellt klar, dass weniger
Pendelverkehr und weniger Büronutzung nicht unbedingt Energieeinsparung
bedeuten.
In sozialer Hinsicht sieht die Studie kritisch, dass
Fernarbeit die Arbeitnehmerschaft spaltet, da nicht alle Beschäftigungen beziehungsweise
Berufe dafür geeignet sind und eher höher qualifizierte Personen diese Option
haben und nutzen können. Auch auf die Rolle der Gewerkschaften wird
eingegangen, da sich ihr Handlungsfeld durch die Fernarbeit stark verändert hat.
Sie sind mit neuen Ansprüchen hinsichtlich des Schutzes ihrer Mitglieder konfrontiert.
Darüber hinaus stehen sie vor Problemen, diejenigen Arbeitskräfte zu erreichen, die
als sogenannte „digitale Nomaden“ Fernarbeit von verschiedenen Orten verrichten.