Arzneimittelrecht und Patentrecht müssen abgestimmt reformiert werden.

UM – 09/2023

Am 26. April dieses Jahres hatte die Europäische Kommission das lang erwartete Paket zur Revision der europäischen Arzneimittelgesetzgebung veröffentlicht. Tags darauf stellte sie ein Gesetzespaket zur Reform des Schutzes des geistigen Eigentums vor. In der Folge befassen sich die Politiker und Beamte aus dem Bereich Gesundheit mit der Arzneimittelreform. Die patentrechtlichen Neuerungen werden hingegen in den zivilrechtlichen Arbeitsgruppen und Ausschüssen beraten. Damit drohen wichtige Gemeinsamkeiten nicht hinreichend abgestimmt betrachtet und Wechselwirkungen übersehen zu werden. Dies betrifft insbesondere den Exklusivitätsschutz von Arzneimitteln.

Patentschutz sticht regulatorischen Marktschutz

Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass bei 61 Prozent der betrachteten Arzneimittel der längste effektive Schutz neuer Arzneimittel vor generischem Wettbewerb durch den Patentschutz beziehungsweise ein ergänzendes Schutzzertifikat (Supplementary Protection Certificate - SPC) gewährt wird. Letzteres soll den zum Teil langen Verfahrenszeitraum zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung durch zusätzliche Schutzzeiten bis maximal fünf Jahre kompensieren. Der regulatorische Marktschutz des Arzneimittelrechts greift folglich nur in einem guten Drittel aller Fälle. Dies unterstreicht die Bedeutung patentrechtlicher Regelungen für die Stellung von Arzneimitteln auf dem Markt. Mit Blick auf die vorgeschlagene Revision des europäischen Arzneimittelrechts ist dies zu berücksichtigen. Denn dort beeinflusst die gesetzliche Ausgestaltung des Patentschutzes maßgeblich die Balance zwischen Anreizen für die Entwicklung neuer Arzneimittel einerseits und wegen ihrer wettbewerblichen Implikationen die langfristige finanzielle Stabilität der Gesundheitssysteme andererseits.

Verkürzung von SPC nicht in Sicht

Sollen die von der Europäischen Kommission mit dem Arzneimittelpaket gesteckten Ziele hinsichtlich des Zugangs, der Verfügbarkeit und der Bezahlbarkeit von Arzneimitteln erreicht werden, müsste sowohl im Arzneimittelrecht wie im Patentrecht auf eine Verkürzung der Exklusivitätszeiten hingewirkt werden. Dies hat die DSV in einer Stellungnahme anlässlich der Konsultation zu den Kommissionsvorschlägen zur Änderung des Entwurfs der Verordnung über das einheitliche ergänzende Zertifikat für Arzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001, der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 sowie der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 und zur Neufassung der Verordnung über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel deutlich gemacht. Erschwert wird dies durch die voneinander unabhängigen Beratungen der Dossiers in unterschiedlichen Gremien. Zudem scheint es bereits einen Konsens zwischen den politischen Entscheidungsträgern dahingehend zu geben, dass an der Dauer der SPCs nicht gerüttelt wird.

Patentschutz transparent gestalten

Ungeachtet dessen unterstützt die DSV die angestrebte einheitliche europäische Erteilung von SPCs, so dies zu mehr Wettbewerb sowie mehr Transparenz, Effektivität und Rechtssicherheit führt und damit zu einer effizienteren Versorgung beiträgt. Das neue zentralisierte Verfahren sollte bei der Beantragung von SPCs Vorrang haben; auch um auszuschließen. dass nationale Antragsverfahren von Herstellern im Einzelfall gezielt genutzt werden, um sich vor der Konkurrenz durch Generika oder Biosimilars zu schützen. Darüber hinaus sollte die Erteilung des SPC auf das Primärpatent (Original-Wirkstoffpatent unabhängig von Hinweisen auf Darreichungsformen, Indikationen etc.) beschränkt werden. Einem "Patentdickicht" aus einer Vielzahl von Sekundärpatenten, das dazu dient, ein Produkt vor Wettbewerb abzuschirmen, muss entgegengewirkt werden.