Einbeziehung in die wirtschaftspolitische Steuerung gefordert

VS – 10/2023

Am 26. April hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung vorgelegt. Ziel ist es, die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu stärken und ein nachhaltiges und integratives Wachstum durch eine schrittweise Haushaltskonsolidierung, Reformen und Investitionen zu fördern. Eine offene Frage ist inwieweit hierbei auch soziale Investitionen zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund haben die spanische und die kommende belgische Ratspräsidentschaft im Anschluss an die informelle Sitzung des Rats für „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) am 14. Juli in Madrid eine informelle Arbeitsgruppe für soziale Investitionen (IWGSI) ins Leben gerufen (siehe hierzu News vom Juli 2023).

Kommissionsvorschlag für die wirtschaftliche Steuerung

Nach dem Kommissionsvorschlag sollen alle Mitgliedstaaten die in den länderspezifischen Empfehlungen aufgeführten wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen sowie die gemeinsamen Prioritäten der EU in ihren mittelfristigen Finanz- und Strukturplänen berücksichtigen. Reformen und öffentliche Investitionen, die entsprechend der europäischen Prioritäten das Wachstum fördern, sollen dabei zu einer zeitlichen Streckung der Anpassungspläne für die Verschuldung der öffentlichen Haushalte führen.

Mit diesen „Schuldenanpassungsplänen“ soll der Zeitraum für die Reduktion der Staatsverschuldung gestreckt werden. Hierzu sollen die Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von 4 bis 7 Jahren eine Planung für Reformen und Investitionen formulieren, der auf europäischer Ebene mit Europäischer Kommission und Rat abgestimmt wird. Die Umsetzung der gemeinsam vereinbarten Planung sowie der Erfolg der vereinbarten Maßnahmen soll dabei einem stetigen Monitoring unterliegen.

Vision

Im Kommissionsvorschlag wird auch explizit die europäische Säule sozialer Rechte aufgeführt. Gut funktionierende und integrative Sozialschutzsysteme sind Schlüsselkomponenten einer sozial und wirtschaftlich widerstandsfähigen Gesellschaft. Dieser Verweis auf die Säule ist zwar positiv zu werten. Unklar ist jedoch, inwieweit soziale Investitionen im neuen wirtschaftspolitischen Rahmen berücksichtigt werden sollen. Die spanisch-belgische Initiative schlägt vor, dass auch anhand noch zu formulierender Kriterien soziale Investitionen zu einer Verlängerung der Schuldenanpassungspläne führen.

Evidenz

Die von der spanischen und die kommenden belgischen EU-Ratspräsidentschaft ins Leben gerufene informelle Arbeitsgruppe für Sozialinvestitionen (IWGSI) soll fundierte Argumente für den Mehrwert sozialer Investitionen und Reformen bei der Förderung von sozialem Zusammenhalt, Wirtschaftswachstum und fiskalischer Nachhaltigkeit zusammentragen. Damit soll die Grundlage für die Diskussion um die Einbeziehung von sozialen Investitionen in die zukünftige wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union geschaffen werden. Auf Basis der zusammengestellten empirischen Belege sollen auch die Kriterien für die Berücksichtigung spezifischer sozialer Investitionen abgeleitet werden. Darüber hinaus soll die IWGSI Methoden diskutieren, wie der Erfolg sozialer Investitionen gemessen und entsprechend evaluiert werden kann.

Ownership

Offen ist auch die Frage, wer auf europäischer Ebene im Rahmen der zukünftigen wirtschaftspolitischen Steuerung den Erfolg sozialer Investitionen evaluieren soll. Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) oder der Rat für „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO). Aus Sicht der Sozial- und Arbeitsminister und -ministerinnen ist die Evaluation von Sozialinvestitionen eine Kernaufgabe des EPSCO. Allerdings liegen Fragen um die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in der Zuständigkeit des ECONFIN. Fragen die spätestens auf dem ersten gemeinsamen Rat von EPSCO und ECOFIN im März 2024 diskutiert werden.