Technopolis-Studie stellt Bedeutung von Schutzzertifikaten für den Zugang zu Arzneimitteln in Frage.

UM – 11/2023

Eine Studie unter Leitung des Politikberaters Technopolisgroup hat die Gesetzesvorschläge zu den ergänzenden Schutzzertifikaten (SPCs) und der Einführung eines einheitlichen Zertifikats analysiert. Im Mittelpunkt des Interesses des Auftraggebers - der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) – stand die Analyse der möglichen Auswirkung der Vorschläge der Europäischen Kommission für die Weiterentwicklung des SPC-Systems auf den Zugang zu innovativen Arzneimitteln in der Europäischen Union (EU).

Das System bleibt komplex

Zur Erinnerung: Mit einem SPC soll die zum Teil lange Dauer zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung kompensiert werden, in dem der Marktschutz um bis zu fünf Jahre verlängert wird. Ihre Weiterentwicklung ist Bestandteil der Reform der Schutzrechte des geistigen Eigentums, die die Europäische Kommission am 27. April dieses Jahres angestoßen hat. Dabei soll neben dem bestehenden System der nationalen Erteilung von SPCs für national zugelassene Produkte, ein zentralisiertes Verfahren zur Vergabe von nationalen SPCs in einigen oder allen Mitgliedstaaten eingeführt werden. Daneben soll es auch ein europaweit einheitliches SPC geben, welches das bereits eingeführte einheitliche europäische Patent ergänzt. Da auch eine Kombination der Verfahren möglich ist, gibt es im Ergebnis vier Wege, ein SPC zu erlangen.

Vereinfachungen fraglich

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technopolisgroup kommen unter anderem zu dem Schluss, dass das geplante neue System das Antragsverfahren für einheitliche SPCs zwar vereinfacht, indem mit dem Amt der EU für geistiges Eigentum (EUIPO) eine einzige Stelle für die Anmeldung und die Zahlung geschaffen wird. Da aber das derzeitige System parallel erhalten wird, bleibe die Situation für nicht-einheitliche SPCs komplex, da getrennte Prüfbescheide für jedes Land zu parallelen Einspruchs- und Beschwerdeverfahren führen können. Zudem bestehe die Gefahr, im zentralisierten Verfahren für nationale SPCs zu einem Nebeneinander von positiven und negativen Prüfbescheiden zu kommen, da die Anforderungen in den Mitgliedstaaten an einen Antrag unterschiedlich sein können.

Weniger SPCs – mehr Wettbewerb

Es seien aber auch positive Effekte denkbar. So könne der rechtzeitige Zugang zu Generika verbessert werden, wenn erweiterte Einspruchsmöglichkeiten zur Erteilung von weniger SPCs führen. Unwahrscheinlich sei, dass die derzeitigen nationalen Unterschiede im Umgang mit SPCs eine wesentliche Rolle für den ungleichen Zugang zu innovativen Arzneimitteln spielen. Dieser sei in hohem Maße von den nationalen Marktmerkmalen – Marktgröße, Verfügbarkeit von Behandlungsalternativen, Preisgestaltung und Kostenerstattung – bestimmt und nicht von SPCs.

Bei geistigen Eigentumsrechten kann weniger mehr sein

Damit stößt die Untersuchung in ähnliche Kerbe wie eine Studie, die das Gremium für die Zukunft von Wissenschaft und Technologie (STOA) im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben, aber überraschend nicht zur Diskussion gestellt hat. Dies hatte in den vergangenen Wochen für etwas politischen Wirbel auf der Brüsseler Ebene geführt. Tenor der Studie „Improving access to medicines and promoting pharmaceutical innovation“ ist, dass die großzügigen geistigen Eigentumsrechte für die Entwicklung von Medikamenten wenig dazu beitragen, den Zugang zu Arzneimitteln in Europa zu erleichtern. Vorauszahlungsmodelle, eine gemeinsame Beschaffung oder die öffentlich geförderte Forschung wären effektiver.