Europäisches Parlament und Rat verabschieden ihre Standpunkte.

CC – 12/2023

Der Aufbau eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) hat zwei wichtige Hürden genommen. Das Europäische Parlament und der Rat haben im Dezember ihre jeweiligen Standpunkte zu dem vor anderthalb Jahren von der Europäischen Kommission vorgelegten Verordnungsvorschlag. verabschiedet. Damit ist der Weg frei für die interinstitutionellen Verhandlungen – den Trilog. Eine erste Sitzung hat bereits im Dezember stattgefunden.

Europäisches Parlament

Der von den Berichterstattern Tomislav Sokol (EVP, HR) und Annalisa Tardino (ID, IT) vorgelegte Bericht wurde mit einer großen Mehrheit von 516 Ja-Stimmen bei 95 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen angenommen. Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes haben von Anfang an den Schwerpunkt bei den Beratungen zum EHDS auf den grenzüberschreitenden Datenaustausch gelegt. Neben Datenschutz und Datensicherheit standen vor allem auch die Mitbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt. Die Frage, welche Gesundheitsdaten überhaupt registriert, genutzt und weitergegeben werden sollen, ist sehr sensibel zu behandeln und wurde lange diskutiert. Ein im Plenum angenommener Änderungsantrag soll nun präziser klarstellen, dass die Mitgliedstaaten natürlichen Personen ein Widerspruchsrecht („Opt-Out“) gegen die Registrierung und nicht nur gegen die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten in einer Elektronischen Patientenakte (EHR) einräumen können. Die in Deutschland mit dem Digital-Gesetz (DigiG) geplanten Regelungen zum Opt-Out Verfahren der EHR stehen daher nicht im Widerspruch zur Parlamentsposition. Bei der Weiterverwendung der Gesundheitsdaten, der sogenannten Sekundärdatennutzung, fordert das Europäische Parlament grundsätzlich ein Opt-Out, außer bei besonders sensiblen Datenkategorien, wie zum Beispiel genomische und genetische Daten.

Rat

Der Rat hat nach drei Ratspräsidentschaften und vielen Verhandlungsrunden mit Kompromissvorschlägen seine allgemeine Ausrichtung im November verabschiedet. Die Mitgliedstaaten setzten sich darin für eine Stärkung ihrer Mitbestimmungsrechte, insbesondere bei der Governance und der Festlegung der technischen Spezifikationen, ein. Auch im Rat wurden gegenüber dem Vorschlag der Europäischen Kommission die Mitbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten präzisiert. Es soll danach im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen, Opt-Out-Regelungen festzulegen. Eine weitere konkrete Änderung bezieht sich auf das Austauschformat der EHR. So möchte der Rat zwischen zwei Profilen unterscheiden – einem nationalen und einem grenzüberschreitenden Profil.

Kompromissfindung

Auch wenn seit der Vorlage des Verordnungsentwurfs einige Zeit vergangen ist - die Tatsache, dass sich der Rat und das Europäische Parlament auf ihre jeweiligen Positionen einigen konnten, gibt Anlass zur Freude. Berichterstatter Tomislav Sokol wirkte zuversichtlich, dass Rat und Parlament einen Kompromiss finden können. Dass durch die Europäische Kommission wesentlich mehr Finanzmittel für den EHDS bereitgestellt werden müssen, da sei man sich einig. Bei der zeitlichen Realisierung und des Inkrafttretens des EHDS, da werde man sich einig, so Sokol. Wie konkret die Opt-Out Regelungen für die Patientinnen und Patienten ausgestaltet werden sollen, darüber sei aber noch zu diskutieren.


Wie realistisch es ist, dass sich beide Institutionen bei so einem technisch komplexen und sensiblen Dossier noch in dieser Legislaturperiode des Europäischen Parlaments einigen können, bleibt abzuwarten. Im April müsste ein mögliches Trilogergebnis vom Europäischen Parlament bestätigt werden.

Hintergrund

Die Europäische Kommission hatte im Mai 2022 einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) vorgelegt. Es ist das zentrale Digitalisierungsvorhaben im gesundheitspolitischen Bereich und ein ambitioniertes Großprojekt. Ziel des Verordnungsvorschlages ist es, die elektronische Patientenakten grenzüberschreitend für die Gesundheitsversorgung in der EU verfügbar zu machen (Primärdatennutzung). Zudem sollen Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, und Politikgestaltung zusammengeführt und grenzüberschreitend nutzbar gemacht werden (Sekundärdatennutzung). Die DSV hatte sich mit einer ausführlichen Stellungnahme zu dem Vorhaben positioniert.