Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
Der Gesetzesvorschlag zum Zahlungsverzug bringt Sozialversicherung unbegründet in Not.
UM – 12/2023
Mit ihrem Vorschlag
für eine Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 12. September 2023 will die Europäische Kommission die Liquidität und den
Zugang zu Finanzmitteln insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
verbessern und deren Insolvenzrisiken senken. Die neue Verordnung soll die
geltende Zahlungsverzugs-Richtlinie
2011/7/EU aus dem Jahr 2011 ersetzen. Diese sei, so die Kommission,
unzulänglich und würde die Asymmetrie, die oft in der Verhandlungsmacht
zwischen großen Kunden und kleineren Lieferanten besteht, nicht korrigieren.
Strenge Fristen, hohe Strafen
Auch wenn die Verordnung Unternehmen aller Größenordnungen
zugutekommen wird; KMU sollen stärker profitieren, da sie ein Zahlungsverzug
hinsichtlich ihrer Liquidität und des Insolvenzrisikos stärker trifft. Im Mittelpunkt des Verordnungsentwurfs steht die Begrenzung der
Zahlungsfrist auf maximal 30 Tage für alle Geschäftsvorgänge. Etwaige Abnahme-
oder Überprüfungsverfahren sollen ebenfalls 30 Kalendertage nicht übersteigen
dürfen. Darüber hinaus sollen Ausnahmeregelungen, die es noch in der geltenden Zahlungsverzugsrichtlinie
gibt, abgeschafft werden. Die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten
öffentlichen Einrichtungen, die Gesundheitsdienste anbieten, eine
Fristverlängerung auf höchstens 60 Tage einräumen können, droht damit,
Vergangenheit zu werden. Verstöße gegen die oben angeführten Fristen werden
sanktioniert; mit deutlich höheren, obligatorischen Verzugszinsen, die automatisch fällig werden
und einer pauschalen Entschädigung für Beitreibungskosten in Höhe von 50 Euro
je Rechnung.
Regeln passen nicht zum Auftragsgeschäft der Sozialversicherung
Das Anliegen, das die Europäische Kommission mit ihrer
Gesetzesinitiative verfolgt, ist nachvollziehbar. Wenn große Unternehmen ihre
Marktmacht missbrauchen, um kleineren Zulieferern, Handwerkern oder
Dienstleistern Finanzierungskosten aufzudrücken, ist das nicht akzeptabel. Auf
die Sozialversicherung jedoch passen diese Regeln nicht. Dies gilt zumindest
für den Bereich, in dem die Sozialversicherungsorganisationen ihren
gesetzlichen Auftrag erfüllen.
Abrechnungen unterliegen gesetzlicher Regulierung
Grundsätzlich gelingt es der Sozialversicherung, ihre
Rechnungen pünktlich zu zahlen. Häufig auch mit Fristen deutlich unter 30
Tagen. Die nachgelagerten Verfahren, die für die Abrechnung mit Ärztinnen und
Ärzten, Krankenhäusern oder Apotheken etabliert sind, beanspruchen jedoch
deutlich längere Zeiträume, als der Kommissionsvorschlag vorsieht. Das liegt
daran, dass der Gesetzgeber diese Verfahren stark reguliert hat, damit sie
politischen Zielsetzungen erfüllen können. So werden die Datenmassen, die im
Versorgungsalltag entstehen, über verschiedene Prüfroutinen auf den Einzelfall
– sei es der Versicherte, der Arzt, das Krankenhaus – heruntergebrochen und die
Versorgung anhand der abzurechnenden Leistungen auf Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit
oder Manipulationen geprüft. In diesem Zuge werden die Daten nicht nur eines
Abrechnungsquartals geprüft, sondern auch längere Zeiträume, da bestimmte
Leistungen nur einmal im Jahr oder seltener für eine Patientin oder Patienten
erbracht werden dürfen. Hier eine 30-tägige Frist für Abnahme- und
Überprüfungsverfahren anwenden zu wollen, kann nicht gelingen. Auch das
Argument, das Insolvenzrisiko für kleine und mittlere Unternehmen senken zu
wollen, verfängt nicht, da Abschlagszahlungen geleistet werden und die
Liquidität der Dienstleister gesichert ist.
Für die Sozialversicherung gibt es keine richtige Frist
Deutlich wird, dass die Europäische Kommission ganz andere
Geschäftsvorgänge im Fokus hatte und vermutlich nicht auf die
Sozialversicherungen zielen wollte. Es wäre hilfreich, wenn im weiteren
Gesetzgebungsverfahren dieser Punkt klargestellt werden würde und auf eine
Frist für solche nachgelagerte Prüf- und Rechnungskorrekturprozesse verzichtet
würde. Das
hat die DSV in einer Stellungnahme deutlich gemacht. Denn es gibt keine richtige Frist. Im Rahmen der Honorarabrechnung für
die ambulante ärztliche Versorgung können die zahlungsbegründenden Unterlagen
sogar bis zu drei Jahre nach Einreichung des Massendatensatzes durch die
Kassenärztliche Vereinigung geprüft werden. Und eine Dreijahresfrist wäre wie
keine Frist.