Besteht noch eine Chance auf eine politische Einigung zur Plattformarbeit?
Auch die zweite vorläufige Einigung erhält keine ausreichende Unterstützung im Rat.
VS – 02/2024
Der
belgische Ratsvorsitz konnte am 16. Februar nicht die nötige Unterstützung der
Mitgliedstaaten für die im Trilog gefundene vorläufige Einigung zur
Plattformarbeit finden. Die Formulierung zur widerlegbaren
Beschäftigungsvermutung, die der Statusfeststellung von Plattformbeschäftigten
zugrunde liegen soll, blieb bis zuletzt umstritten und war im Rat nicht
konsensfähig. Nach der Ablehnung der noch unter spanischer Ratspräsidentschaft
erzielten Einigung am 22. Dezember 2023, ist dies bereits das zweite Mal, dass die von den Unterhändlern des EU-Parlaments und des Rates erzielte vorläufige Einigung im Ausschuss der Ständigen Vertreter
(AStV) keine qualifizierte Mehrheit gefunden hat. Damit besteht kaum noch
Hoffnung, dass das Dossier rechtzeitig vor dem Ende der parlamentarischen
Arbeit und dem Beginn des EU-Wahlkampfes erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Vorläufige Einigung
Am 8.
Februar hatten die Verhandlungsführerinnen und -führer des Europäischen
Parlaments und des Rats in ihrer vorläufigen Einigung abgesprochen, das Kapitel
über „Algorithmisches Management am Arbeitsplatz“ der vorläufigen Einigung vom
Dezember unverändert zu übernehmen. Der Abschnitt zur Feststellung des
Beschäftigungsstatus ist jedoch stark verändert worden. So ist auf
harmonisierte Bedingungen für die Auslösung der widerlegbaren
Beschäftigungsvermutung verzichtet worden. Stattdessen wurde ein Verweis auf
„Tatsachen“ aufgenommen, der auf eine Kontrolle und Leitung gemäß der in den
Mitgliedstaaten geltenden nationalen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verweist. Gleichzeit verpflichtete der Text
die Mitgliedsstaaten, eine widerlegbare Beschäftigungsvermutung in ihren
nationalen Systemen zu schaffen - ohne auf die Einzelheiten ihrer Anwendung
einzugehen.
Der
von Frankreich geforderte Zusatz in den Erwägungsgründen, wonach ein Indikator
der widerlegbaren Beschäftigungsvermutung nicht als erfüllt gilt, wenn dies
Folge nationalen Rechts oder gewerkschaftlicher Vereinbarungen ist, hatte
hingegen nicht Eingang in die Einigung gefunden. Die Parlamentarier
kritisierten, dass dadurch digitale Arbeitsplattformen die Statusfeststellungen
aushebeln könnten, indem sie Vereinbarungen mit nicht repräsentativen oder auch
selbst gegründeten Gewerkschaften treffen.
Qualifizierte Mehrheit
Für
die Billigung des Gesetzentwurfes wird im Rat eine qualifizierte Mehrheit
benötigt. Hierfür müssen mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die
mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Europäischen Union (EU)
vertreten, dafür stimmen. Enthaltungen werden somit wie Gegenstimmen gewertet. In
der Abstimmung haben sich Estland, Griechenland, Deutschland und Frankreich
enthalten. Damit haben zwar mehr als die erforderlichen 15 Mitgliedstaaten
zugestimmt. Diese 23 Mitgliedstaaten repräsentieren jedoch nur 63,66 Prozent
der Bevölkerung der EU. Damit wird das zweite Kriterium für eine qualifizierte
Mehrheit nicht erfüllt.
Wie geht es weiter?
Die
belgische Ratspräsidentschaft versucht weiterhin eine qualifizierte Mehrheit zu
organisieren und will das Dossier auf dem Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik,
Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) auf Ministerebene diskutieren. Sehr
wahrscheinlich ist dies die letzte Möglichkeit, das Dossier in dieser
Legislaturperiode abzuschließen.