Weg frei für die Abstimmung im Plenum.

CC – 03/2024

Die Abgeordneten des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments (ENVI) haben am 19. März ihre Position zur Europäischen Arzneimittelreform verabschiedet. Beide Berichte wurden mit großer Mehrheit angenommen. Der Bericht von Pernille Weiss (EVP, DK) zum Richtlinienentwurf wurde mit 66 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen. Der Bericht von Tiemo Wölken (S&D, DE) zum Verordnungsentwurf erhielt die erforderliche Mehrheit mit 67 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. Mit dem klaren Votum hat der Gesundheitsausschuss nun seine Position zu den im Mai 2023 vorgelegten Kommissionsvorschlägen verabschiedet.


Vor der Abstimmung gab es intensive Verhandlungen auf Ebene der Bericht- und Schattenberichterstatter des Europäischen Parlaments, besonders zu den Schutzfristen von Arzneimitteln und zu den übertragbaren Marktexklusivitätsgutscheinen („Vouchern“).

Schutzfristen

Um Innovationen zu belohnen, wollen die Abgeordneten einen Mindestzeitraum von siebeneinhalb Jahren für den regulatorischen Unterlagenschutz sowie einen zweijährigen Marktschutz im Anschluss an eine Zulassung einführen. Außerdem wollen sie die Staffelung der Anreize anpassen. Arzneimittelhersteller hätten Anspruch auf zusätzliche Datenschutzfristen, wenn das betreffende Produkt einen ungedeckten medizinischen Bedarf deckt (+12 Monate), wenn vergleichende klinische Studien für das Produkt durchgeführt werden (+6 Monate) und wenn ein erheblicher Teil der Forschung und Entwicklung des Produkts in der EU und zumindest teilweise in Zusammenarbeit mit EU-Forschungseinrichtungen erfolgt (+6 Monate). Eine einmalige Verlängerung (+12 Monate) der zweijährigen Marktschutzfrist könnte gewährt werden, wenn das Unternehmen eine Zulassung für eine zusätzliche therapeutische Indikation erhält, die im Vergleich zu bestehenden Therapien erhebliche klinische Vorteile bietet. Die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Lieferpflicht innerhalb der EU27 soll gestrichen werden.

Antimikrobielle Resistenzen

Die Abgeordneten stimmen der Einführung eines Vouchers für vorrangige antimikrobielle Mittel zu, der einen zusätzlichen Datenschutz von maximal einem Jahr vorsieht. Der Kommissionsvorschlag wurde etwas abgeschwächt. So könnte der Gutschein nicht für ein Produkt verwendet werden, für das bereits der maximale gesetzliche Datenschutz gilt, und er würde nur einmal auf einen anderen Zulassungsinhaber übertragen werden können.


Allein bei den Vouchern soll es aber nicht bleiben. So unterstreichen die Abgeordneten die Notwendigkeit, die Forschung und Entwicklung neuartiger antimikrobieller Mittel voranzutreiben. Zum Beispiel durch Belohnungen für den Markteintritt oder durch finanzielle Unterstützungen in der Frühphase der Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln. Auf freiwilliger Basis können von den Mitgliedstaaten auch gemeinsame Beschaffungsmechanismen genutzt werden.

DSV fordert Balance

Die Deutsche Sozialversicherung (DSV) hatte ihre Position zur Arzneimittelreform nachdrücklich in vielen Positionspapieren und Statements auf europäischer Ebene eingebracht. Zuletzt hatte die DSV die erheblichen Mehrkosten errechnet, die dem deutschen Gesundheitssystem entstehen würden, wenn ein zusätzliches Jahr des regulatorischen Unterlagenschutzes für Arzneimittel (RDP – regulatory data protection) gewährt würde. Jedes zusätzliche Jahr, um das sich der Beginn des Generikawettbewerbs verzögert, kostet die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland etwas mehr als eine Milliarde Euro. EU-weit belaufen sich die Mehrkosten für jedes zusätzliche Jahr des regulatorischen Unterlagenschutzes auf etwas mehr als drei Milliarden Euro. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit einer ausgewogenen Position des Europäischen Parlaments zur Länge der Schutzfristen, um die Bezahlbarkeit und langfristige Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme zu sichern. Die nun verabschiedete Position wirkt auf den ersten Blick ausbalanciert.  


Das Plenum des Europäischen Parlaments plant, am 10. April offiziell die beiden Berichte zu verabschieden und damit seinen Standpunkt zur Arzneimittelreform anzunehmen.