Das Euro­päi­sche Parla­ment stimmt für strenge Zahlungs­fristen zum Schutz kleiner und mitt­lerer Unter­nehmen.

UM – 04/2024

Der Wunsch, möglichst viele Gesetzesinitiativen in der auslaufenden Legislaturperiode zur „Trilogreife“ zu bringen, ist seit Wochen spürbar. Bei einer Reihe schwieriger Dossiers ist dies auch gelungen, so zum Beispiel bei der Plattformarbeit, beim Europäischen Gesundheitsdatenraum, selbst bei der komplizierten Arzneimittelreform. Beim Verordnungsvorschlag zum Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr war dies bis zuletzt unsicher.

Deut­liche Mehr­heit im Parla­ment

Nur mit Mühe und zweiwöchiger Verspätung hatte sich der zuständige Binnenmarktausschuss (IMCO) am 25. März auf Grundlage des Entwurfs von Berichterstatterin Róża Thun und Hohenstein (RENEW, PL) und 91 Änderungsanträgen auf einen Bericht verständigen können. Im Vordergrund der Beratungen stand der Schutz von 24 Millionen kleiner und mittlerer Unternehmen in der Europäischen Union (EU). Unstrittig war jedoch nur das Ziel. Über den richtigen Weg wurde intensiv gestritten. Belastet mit einer Einigung, die viele Abgeordnete nicht überzeugte, wurde mit dem Fortgang der Diskussion im Plenum gerechnet.  

Am 23. April ist der Standpunkt des Europäischen Parlaments mit 459 Ja- gegen 96 Nein-Stimmen und 54 Enthaltungen verabschiedet worden; jedoch ohne vorherige Aussprache. Bemühungen, die Abstimmung ganz zu verschieben scheiterten ebenso wie der ein oder andere von 27 Plenaranträgen, mit denen nachgebessert werden sollte. Alle Änderungsanträge finden sich hier.

„Abschaf­fung der Vertrags­frei­heit“

Gescheitert ist auch der Einsatz einer Gruppe um Svenja Hahn (RENEW, DE) für mehr Vertragsfreiheit im Zahlungsverkehr. Unter anderem sollte die starre Zahlungsfrist von 30 Tagen in Übereinstimmung der Vertragsparteien flexibilisiert werden können. Schließlich würden oftmals und aus berechtigten Gründen zum Vorteil beider Parteien längere Zahlungsfristen vereinbart. Dies deckt sich auch mit der Haltung der DSV, die in einer Stellungnahme Ausnahmen für die Sozialversicherungsträger gefordert hatte. Die Mehrheit der Abgeordneten sah das nicht so. Nach Hahn ist die „Abschaffung der Vertragsfreiheit“ nichts weniger als „ein Frontalangriff auf die europäische Wirtschaft“.

Keine Klar­heit für Prüf­ge­schäft der Kran­ken­kassen

Ohne Mehrheit blieb auch ein Änderungsantrag, der darauf zielte, den Vertragsparteien auch bei der Rechnungsprüfung mehr vertragliche Flexibilität einzuräumen. Und zwar innerhalb der Grenzen des national geltenden Rechts und sofern die Absprachen für den Gläubiger nicht grob unbillig sind. Die Möglichkeit, längere Prüf- und Abnahmefristen im Rahmen des geltenden nationalen Rechts vereinbaren zu können, hätte für die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland klargestellt, dass die komplexen und sich über lange Zeiträume erstreckende Prüfverfahren zwischen der Krankenversicherung und den Leistungserbringern im Gesundheitswesen nicht den engen europäischen Fristen unterliegen.

Stren­gere Fristen für öffent­li­chen Sektor als für Privat­wirt­schaft

Das Europäische Parlament geht mit einer aus DSV-Sicht restriktiven Position in die kommenden Verhandlungen. Sein Standpunkt sieht für öffentliche Stellen – zu denen auf europäischer Ebene auch die Sozialversicherungsorganisationen gerechnet werden – keinerlei Ausnahmen vor. In der Privatwirtschaft sind hingegen Ausnahmen bis maximal 60 Tage möglich. Diese können vertraglich vereinbart werden. Der Buchhandel bleibt von Zahlungsfristen sogar gänzlich ausgenommen; nach Thun und Hohenstein ein besonderer Lobbyerfolg mit französischer Duftnote.

Und der Rat?

Im Rat gibt es noch keine Position. Ohnehin ist die Stimmungslage in Bezug auf den Vorschlag der Europäischen Kommission zum Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr dort eine andere als im Parlament (siehe hierzu auch DSV-News 03/2024). Nach Thun und Hohenstein läge dies daran, dass mit schärferen gesetzlichen Regeln auch Regierungsstellen pünktlich zahlen müssten. Sie baue aber auf ihre polnische Regierung, in deren Ratspräsidentschaft ab dem 1. Januar 2025 es gelingen solle, das Dossier abzuschließen.

 

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