Reformen für die Europäische Union von Morgen
Europäische Kommission schlägt schrittweise und umkehrbare Erweiterung vor.
HS/VS – 03/2024
Die
Europäische Kommission hat am Mittwoch, den 20. März in einer Mitteilung empfohlen, neue Mitglieder schrittweise in die Europäische Union (EU) zu
integrieren. In der Mitteilung wird betont, dass die Aufnahme neuer Mitglieder
im strategischen Interesse der EU liegt. Neue Mitglieder würden der EU ein größeres
geopolitisches Gewicht und einen größeren Einfluss auf der globalen Bühne
verleihen. Hierzu skizziert die EU-Kommission die Prioritäten vor der
Erweiterung, um auf die „Union von Morgen“ vorbereitet zu sein.
Schrittweise Erweiterung
In der
Mitteilung wird vorgeschlagen, Beitrittskandidatenländern die Möglichkeit zu geben,
sich schrittweise in ausgewählte europäische Politikfelder zu integrieren,
bevor ihnen die Vollmitgliedschaft gewährt wird. Dabei würden bestimmte
Vorteile und Verpflichtungen der EU-Mitgliedschaft vorgezogen. Im Einklang mit
den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 23. und 24. Juni 2022 sollen diese entsprechend den
Fortschritten der jeweiligen Kandidatenländer gewährt werden und umkehrbar sein.
Dies soll letztlich sicherstellen, dass die Kandidatenländer auch wirklich für
den Beitritt gerüstet sind. Das Ziel ist und bleibt aber die Vollmitgliedschaft
mit allen Rechten und Pflichten. Eine Mitgliedschaft à la carte werde es nicht
geben.
Prioritäten bei der EU-Reform
In
ihrer Rede
zur Lage der Union am 13. September des letzten Jahres hatte die
Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen erklärt, dass die
Erweiterung der EU „ein Katalysator für den Fortschritt“ sein müsse. Die
vorliegende Mitteilung ist der Beitrag der Kommission zu den Diskussionen im
Rat, die bis zum Sommer 2024 zur Annahme eines Fahrplans zu Erweiterung und
Reformen der EU führen sollen. Die Mitteilung befasst sich mit den Auswirkungen
einer größeren EU in vier Hauptbereichen: Gemeinsame Grundwerte, Politik,
Haushalt und Governance. Dabei wird unter den gemeinsamen Grundwerten die Bedeutung
der Rechtsstaatlichkeit hervorgehoben. Es gelte, die Instrumente der EU zu
stärken, um sicherzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit in der gesamten EU
über den Beitritt hinaus konsequent aufrechterhalten wird.
Einstimmigkeit
Im September
hatten Frankreich und Deutschland den Bericht einer gemeinsamen Expertenkommission vorgestellt. Mit dem Titel „Sailing on High
Seas“ werden dabei die Herausforderungen unterstrichen, die aus der Erweiterung
der EU entstehen und die sich insbesondere bei den Entscheidungsmechanismen
innerhalb der EU zeigen. Zentraler Vorschlag war, dass die Einstimmigkeitsregel
nur noch die Ausnahme sein und die Anwendung von „Passerelle-Klauseln“
gefördert werden sollte. Diese sind bereits im Vertrag über die Arbeitsweise
der Europäischen Union (AEUV) vorgesehen und ermöglichen in bestimmten
Politikbereichen einen Übergang von der Einstimmigkeit zu qualifizierten
Mehrheitsentscheidungen. Damit waren Frankreich und Deutschland auf eine Forderung
von Expertinnen und Experten aus den baltischen Staaten, Dänemark, Finnland,
Polen und Schweden eingegangen. In deren Bericht wird in Anbetracht der Schwierigkeit einer
Vertragsreform gefordert, Lösungen innerhalb des bestehenden rechtlichen
Rahmens zu suchen. Die Europäische Kommission folgt in ihrer Mitteilung diesem
Vorschlag. Die Aktivierung der Passerelle-Klauseln erfordert jedoch Einstimmigkeit.
Daher bedürfe die Aktivierung einer Kombination mit angemessenen und
verhältnismäßigen Schutzmaßnahmen, um strategischen nationalen Interessen
Rechnung zu tragen. Diese gelte es jetzt zu entwickeln.
Welche Länder könnten der EU beitreten?
Die EU
hat Ende letzten Jahres Beitrittsgespräche mit der Ukraine und der Republik
Moldau aufgenommen und Georgien den Kandidatenstatus zuerkannt. Auch die
westlichen Balkanstaaten Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien
verhandeln, während der Europäische Rat am 21. März Beitrittsverhandlungen mit Bosnien
und Herzegowina beschlossen hat. Die Türkei ist seit 2005 ein
EU-Beitrittskandidat, doch die Gespräche sind seit 2018 ins Stocken geraten.
Der Kosovo hat sein formelles Beitrittsersuchen Ende 2022 eingereicht. Die
Situation ist jedoch kompliziert, da fünf EU-Mitgliedstaaten (Zypern,
Griechenland, Rumänien, Spanien und die Slowakei) den Kosovo nicht als
souveränen Staat anerkennen.
Wie geht es weiter?
Die
Europäische Kommission schafft mit ihrer Mitteilung die Grundlage für die von
Präsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2023
angekündigten Überprüfungen von Politikfeldern im Vorfeld der Erweiterung, um
zu sehen, wie die einzelnen Bereiche möglicherweise an eine größere Union
angepasst werden müssen. Diese Überprüfungen gelten auch den Institutionen und
sollen Anfang 2025 durchgeführt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der
Überprüfungen will die Europäische Kommission im Anschluss Reformvorschläge
erarbeiten.