Insolvenzrecht
Bei der Angleichung von Insolvenzvorschriften gibt es nur wenig Fortschritte.
UM – 06/2024
Die für den europäischen Binnenmarkt wichtige Angleichung von Regelungen im
Zusammenhang mit insolventen Unternehmen kommt nicht so recht voran. Der Fortschrittsbericht vom 31. Mai dieses Jahres zeigt aber: Von der gezielten Förderung grenzüberschreitender
Investitionen durch eine gezielte Harmonisierung von Insolvenzverfahren ist man
noch ein gutes Stück entfernt.
Im Ziel einig
Im Ziel ist man sich politisch einig. Die
Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Gipfel am 22. März in einer
gemeinsamen Erklärung ihren Willen bekundet, die Vertiefung der
Kapitalmarktunion zu beschleunigen und die ausstehenden Gesetzgebungsarbeiten
rasch abzuschließen. In den Schlussfolgerungen des Rates vom
17./18. April ist dies nochmals unterstrichen worden. Dazu zählt auch die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekt des
Insolvenzrechts, welche die Europäische Kommission am 7. Dezember 2022
vorgeschlagen hat.
Gemeinsame Regeln für Anfechtungsklagen
Der Kommissionsvorschlag enthält unter anderem gemeinsame
Regeln für Anfechtungsklagen. Die Deutsche Sozialversicherung hatte hier
angeregt, auch die Regelungen zur Behandlung von Beitragsmitteln in
Insolvenzfällen europaweit anzugleichen, in dem diese von der Möglichkeit einer
Anfechtungsklage ausgenommen werden. Damit würden bereits geleistete
Sozialversicherungsbeiträge insolventer Unternehmen nicht in die Insolvenzmasse
eingehen und die ausschließliche Verwendung von Beitragsmitteln für die
sozialrechtlich vorgegebenen Zwecke sichergestellt.
Stillstand im Parlament
Dieser Gedanke wurde in der letzten Legislaturperiode vom
mitberatenden Ausschuss des Europäischen Parlaments für Wirtschaft und Währung
(ECON) in seiner Stellungnahme vom 30. November 2023 aufgegriffen. Der
Berichterstatter im zuständigen Rechtsausschuss (JURI), der Belgier Pascal
Arimont, hat das Dossier jedoch nicht zum Abschluss bringen können. Offen ist
derzeit, ob der wiedergewählte Arimont die Beratungen im Parlament weiterführen wird.
Diskussionsstand im Rat
Im Rat werden seit April erste
Kompromisstexte zu einzelnen Titeln diskutiert. Festzustellen ist, dass in der
Ratsdelegation insbesondere hinsichtlich der beabsichtigten Sonderregelungen
für zahlungsunfähige Kleinstunternehmen erhebliche Meinungsverschiedenheiten
bestehen. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten lehnt diese ab. Aber auch bei den anderen
Titeln wurde weitreichender Überarbeitungsbedarf gesehen. Beim Thema
Anfechtungsklagen hat man sich zumindest verständigt - auf mehr Flexibilität
für die Ausgestaltung des Rechtsrahmens.
Wird es konkret, wird es schwierig
Der zähe Verhandlungsprozess liegt darin begründet, dass das
Insolvenzrecht national geregelt ist und sich stark unterscheidet. Dies
betrifft insbesondere auch den Punkt der Gläubigerhierarchie. So werden
beispielsweise in Frankreich die Beitragsforderungen der Sozialversicherungen
in Insolvenzverfahren bevorzugt bedient. In Deutschland ist dies hingegen Ende
der neunziger Jahre abgeschafft worden. Und folgt man René Repasi, Verfasser
der ECON-Stellungnahme, sieht jedes Mitgliedsland sein Insolvenzrecht als das
Beste an. Das macht eine Einigung auf gemeinsame Regelungen besonders
schwierig.