Transparenzrichtlinie über Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimitteln
Studie zur Umsetzung veröffentlicht.
CC – 10/2024
Die Transparenzrichtlinie zur Preisfestsetzung und
Kostenerstattung von Arzneimitteln (Transparency
Directive, 89/105/EWG) existiert seit 1989, als die Europäische Union (EU)
noch Europäische Gemeinschaft hieß. Ziel dieser Richtlinie ist es,
sicherzustellen, dass Entscheidungen über die Preisgestaltung und
Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln in den EU-Mitgliedstaaten transparent,
objektiv und nachvollziehbar sind. Sie definiert die Verfahren, die die
Mitgliedstaaten anwenden müssen, wenn sie Arzneimittelpreise festlegen oder
deren Aufnahme in Erstattungssysteme regeln. In einer neuen Studie der
Europäischen Kommission ist laut der Autorinnen und Autoren eine
„kontinuierliche Bewertung der Richtlinie“ erforderlich, um sicherzustellen,
dass sie ihrem beabsichtigten Zweck dienen kann.
Transparenz für den Binnenmarkt
Die Transparenzrichtlinie wurde eingeführt, um den freien
Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der EU zu stärken und den Binnenmarkt zu
fördern. Sie soll sicherstellen, dass nationale Maßnahmen zur Preisgestaltung
und Kostenerstattung den innereuropäischen Handel nicht behindern und den
Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerren. Dabei greift die Richtlinie nicht in
die nationalen Entscheidungen über die Festlegung von Arzneimittelpreisen oder
Sozialversicherungspolitiken ein. Die Mitgliedstaaten haben weiterhin die
Freiheit, eigene Preis- und Erstattungsregelungen zu treffen, solange diese den
verfahrensrechtlichen Vorgaben der Richtlinie entsprechen.
So legt die Transparenzrichtlinie zum Beispiel fest, dass
Entscheidungen zur Preisfestsetzung und Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln
innerhalb bestimmter Fristen getroffen werden müssen: maximal 180 Tage (90 Tage
für Preisfestsetzung, 90 Tage für Erstattungsentscheidungen oder 180 Tage für
kombinierte Entscheidungen). Sie verpflichtet die zuständigen nationalen
Behörden außerdem, jede ihrer Entscheidungen auf der Grundlage objektiver und
überprüfbarer Kriterien zu begründen und den antragstellenden Unternehmen
angemessene Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen.
Reformbedarf?
Aufgrund der sich in den dreißig Jahren veränderten
Rahmenbedingungen im europäischen Arzneimittelmarkt wird die Richtlinie
teilweise als veraltet angesehen. Die Marktstruktur hat sich durch die erhöhte
Anzahl von Generika und neuartigen Arzneimitteln, aber auch durch die
komplexeren Preis- und Erstattungspolitiken der Mitgliedstaaten verändert.
Seit Jahren gibt es politische Forderungen nach einer Reform
der Transparenzrichtlinie. Im Frühjahr 2012 initiierte die Europäische
Kommission eine öffentliche Konsultation zur möglichen Überarbeitung der
Richtlinie. Auf Grundlage dieser Konsultation schlug die Kommission im März
2012 eine vollständige Neufassung der Richtlinie vor (COM[2012] 84), um die
wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie grundlegend zu ändern. Dieser
Legislativvorschlag wurde jedoch im März 2015 offiziell zurückgezogen, da im
Rat keine Einigung in Sicht war.
Nun, auch dreißig Jahre später, verdichten sich die Stimmen
zu einer notwendigen Reform, mit dem Blick auf die neue Legislaturperiode
erneut. So hat beispielsweise die S&D-Fraktion eine Überarbeitung der
Richtlinie explizit in ihre politischen Prioritäten aufgenommen.
Studie veröffentlicht
Im Interesse steht nun in diesem Zusammenhang eine von der
Europäischen Kommission zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie veröffentlichte Studie. Diese attestiert Reformbedarf.
Unter anderem stellen die Autorinnen und Autoren fest, dass
es unterschiedliche Verfahren bei der Veröffentlichung von Preis- und
Erstattungsentscheidungen gibt. So werden Kriterien und Verfahren häufig in
offiziellen Journalen veröffentlicht, während Entscheidungen auf Websites von
Gesundheitsbehörden erscheinen. Die Preisfestsetzung, Preiserhöhungen,
Gewinnkontrollen und Erstattungsentscheidungen variieren stark zwischen den
Ländern. Zwei Drittel der Mitgliedstaaten berichten über ihre Entscheidungen nicht
direkt an die Europäische Kommission, meist, weil diese Informationen
öffentlich zugänglich sind oder in Datenbanken verfügbar gemacht werden.
Herausforderungen gibt es auch bei Fristen. So wird von
Stakeholdern, insbesondere der Industrie, die Einhaltung der Fristen für Preis-
und Erstattungsentscheidungen der Mitgliedstaaten als problematisch angesehen.
Bei rund der Hälfte der Mitgliedstaaten erfolgen die Preis- und Erstattungsentscheidungen
nicht immer fristgerecht. Einige Mitgliedstaaten fordern mehr Flexibilität bei
komplexen Entscheidungen und klarere Vorgaben zur Veröffentlichung von Preisen.
Darüber hinaus haben viele Mitgliedstaaten aufgrund
steigender Arzneimittelausgaben zunehmend komplexe Preis- und Erstattungsverfahren
entwickelt, wie etwa neue Preisverhandlungsmodelle, Markteintrittsprämien,
Referenzpreissysteme oder vertrauliche Preisverhandlungen; so auch in
Deutschland. Diese Entwicklungen werden laut der Studie über die
Transparenzrichtlinie nicht ausreichend berücksichtigt.
Kein Auftrag für neue Kommission
Grundsätzlich greift die Studie eine langjährige Diskussion
um die Aktualität der Transparenzrichtlinie auf. Obwohl Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen in ihren „Mission letters“ keinen ausdrücklichen Auftrag zur
Überarbeitung der Richtlinie an den neuen Gesundheitskommissar erteilt hat, hat
die Debatte über eine Reform wieder an Dynamik gewonnen.