EESSI – Schnellere Kommunikation unter
Sozialversicherungsträgern
ed* Nr. 02/2017 – Kapitel 2
Mitte 2017 soll es endlich losgehen: Das Projekt „EESSI“ wird Fahrt aufnehmen, sobald die Europäische Kommission die wesentlichen Teile dieses IT-Systems zur Verfügung stellt. Dank EESSI sollen alle Institutionen der sozialen Sicherheit der europäischen Mitgliedstaaten künftig auf elektronischem Weg miteinander kommunizieren können.
Der Status quo
Obwohl in den Mitgliedstaaten schon oft elektronisch kommuniziert wird, läuft der grenzüberschreitende Informationsaustausch im Bereich der sozialen Sicherheit bisher im Wesentlichen über Papier. 50 sogenannte „E-Vordrucke“ stehen dafür zur Verfügung. Das „E“ steht jedoch nicht für „elektronisch“, sondern betont den territorialen Bezug zur EU.
So entsteht z. B. eine Papierflut, wenn im Bereich der Krankenversicherung Anspruchsnachweise für geplante Behandlungen im Ausland ausgestellt werden. Millionen von Kostenrechnungen über den Leistungsbezug im jeweils anderen EU-Land werden hin- und hergeschickt und bearbeitet. Im Bereich der Rentenversicherung muss für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Laufe ihres Erwerbslebens in mehreren Mitgliedstaaten gearbeitet haben, sichergestellt werden, dass sie ihre Renten aus allen beteiligten Ländern erhalten. Dazu werden Antragsdaten und Informationen über Versicherungszeiten unter den Rentenversicherungsträgern ausgetauscht. Die Träger der Unfallversicherung verschicken Bescheinigungen für den grenzüberschreitenden Anspruch auf Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Der Weg in die Zukunft: EESSI
Die Abkürzung EESSI steht für „Electronic Exchange of Social Security Information“. In den europäischen Rechtsvorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit wurde die Grundlage für den verpflichtenden, grenzüberschreitenden elektronischen Austausch von Nachrichten und Daten geschaffen.
Diese Regelung verpflichtet auch die deutschen Sozialversicherungsträger zur Anbindung an die europäische Infrastruktur. Nach mehreren Verzögerungen des Projekts soll die Schlüsselinnovation EESSI im Juni 2017 von der Verwaltungskommission als „fit for purpose“ abgenommen werden.
Das Prinzip von EESSI
Das Projekt EESSI soll den papierbasierten Austausch der europäischen Sozialverwaltungen durch elektronische Prozesse ersetzen. Hierfür wird EESSI eine zentrale Plattform bieten, durch die nationale Sozialversicherungsträger alle Informationen durch strukturierte elektronische Dokumente (SEDs) auf Basis vordefinierter Geschäftsprozesse (BUCs) austauschen können. Die Geschäftsprozesse sind jeweils einem Sektor zugeordnet (siehe Schaubild oben):
Die auszutauschenden Informationen sind in die für den jeweiligen Geschäftsvorfall relevanten SEDs einzutragen und müssen die unterschiedlichsten fachlichen Anforderungen der Mitgliedstaaten erfüllen, um einen reibungslosen Datenaustausch zu gewährleisten.
In der Entwicklungsphase kam der Beteiligung von Sozialversicherungsexpertinnen und -experten aus den Mitgliedstaaten daher eine entscheidende Rolle zu.
Wie geht es weiter?
Zur technischen Umsetzung werden in den Mitgliedstaaten in den nächsten zwei Jahren nationale Zugangsstellen (Access Points) aufgebaut und die jeweiligen nationalen Institutionen an das EESSI-System angebunden. Ab Sommer 2019 würde der Austausch von Sozialversicherungsdaten zwischen den europäischen Sozialversicherungsträgern elektronisch erfolgen.
Diese Umstellung stellt die deutsche GKV vor besondere Herausforderungen: Über 100 Krankenkassen müssen umfangreiche Modifikationen an ihren bestehenden Verfahren vornehmen, um am europäischen Datenaustausch teilnehmen zu können. Dazu wird in der jeweiligen Kassensoftware jeder bislang papiergebundene Beleg elektro-
nisch abgebildet und der Abrechnungsprozess auf einen elektronischen Datenaustausch umgestellt.
Bei der Deutschen Rentenversicherung nehmen Rentenanträge mit transnationalen Erwerbsbiografien seit Jahren stetig zu. Die Anbindung des Programmsystems an das EESSI-System hat daher auch zum Ziel, persönliche Daten und Versicherungszeiten aus der elektronischen Nachricht direkt in das Versicherungskonto zu übernehmen.
Im Bereich der Unfallversicherung gilt es, die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen an die Zugangsstelle anzubinden und möglichst rasch zu entscheiden, welche technischen Optionen für die zu bearbeitenden Fallzahlen sinnvoll und verhältnismäßig erscheinen.
Die Implementierung ist für die deutschen Sozialversicherungsträger ein enormer Aufwand. Nichtsdestotrotz wird das Optimierungspotenzial der Digitalisierung erschlossen. Die Qualität der übertragenen Informationen erhöht sich deutlich, und Daten können nach einer standardisierten elektronischen Validierung unmittelbar in die verarbeitenden Systeme der Institutionen übernommen werden. Der Mehrwert einer Standardisierung im Rahmen einer verantwortungsbewussten Digitalisierungsstrategie kommt auch den Bürgerinnen und Bürgern der EU zugute, indem Anträge schneller entschieden und Leistungen früher erbracht werden können.