Magazine ed*
ed* Nr. 02/2017

Aufbau einer europäischen eHealth-Infrastruktur

ed* Nr. 02/2017 – Kapitel 4

Auch als Folge wachsender Mobilität von ­Versicherten möchte die Europäische Kommission bis 2020 den ­Aufbau von ­Infrastrukturen für grenzüberschreitende elektronische Gesundheitsdienste in den Mitgliedstaaten vollenden. eHealth-Infrastruktur ist das Stichwort.  

Grenzüberschreitender Austausch von Gesundheitsdaten

Mit der europäischen Patientenrechte-Richtlinie möchte die Europäische Kommission elektronische Dienste in den Bereichen Gesundheit und Pflege grenzüberschreitend nutzen. Davon verspricht man sich eine „höherwertige Versorgung“ zu „bezahlbaren Preisen“ und Innovations­förderung. Etwa bei einem Auslandsaufenthalt sieht die Kommission im Einsatz interoperabler elektronischer ­Patientenakten- und Verschreibungssysteme einen praktischen Vorteil.  

Elektronische Patientenakte  

Grundlegende medizinische Informationen ­werden im Falle einer Behandlung in einem anderen ­Mitgliedstaat auf elektronischem Weg übermittelt.  

 

Elektronische Verschreibung  

Elektronische Rezepte erleichtern die Arzneimittel­beschaffung im Zuge einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten ärztlichen Verordnung.  

 

Eine stärkere Vernetzung von spezialisierten Gesundheitsdienstleistern und Daten ist auch bei den Europäischen Referenznetzwerken (ERN) für seltene Krankheiten vor­gesehen. 

 

Der Reifegrad beim Einsatz digitaler Gesundheitsdienste unterscheidet sich zwischen den Ländern aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen, nationaler Datenverarbeitung und wegen des realen Versorgungsniveaus.  

 

Vytenis Andriukaitis

Vytenis Andriukaitis Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

„Digitale Technologie ist zu einem organischen Bestandteil der modernen Gesellschaft geworden und die EU muss bei der Gestaltung der richtigen Bedingungen an vor­derster Stelle sein, um digitale Ent­wicklungen aufblühen zu lassen. 52 % der Bürgerinnen und Bürger wünschen sich einen elektro­­­nischen Zugang zu ihren Gesund­heits­daten. Wir müssen uns mehr anstren­gen, um dies Wirklichkeit werden zu lassen. Die Entwicklung digi­ta­ler­ Gesundheitsdienste ent­hält enorme Potenziale für eine bessere Gesund­heits­versorgung zu vertretbaren Kosten. Ich zähle darauf, dass alle Beteiligten und besonders die Krankenversicherungs­institutionen ihren Beitrag zu dieser Umgestaltung der europäischen Gesundheitssysteme leisten werden.“

EU-Förderprojekt Connecting Europe Facility eHealth (CEF eHealth)

Bei der Vernetzung nationaler ­Infrastrukturen ist die Europäische Kommission unterstützend tätig. Mithilfe der Förderinitiative Connecting Europe Facility (CEF) werden trans­europäische Netze für den dauerhaften Betrieb eingerichtet. Im Bereich Gesundheit entsteht eine eigenständige digitale Infrastruktur (Digital Service Infrastructure, DSI) für den zukünftigen Austausch von Gesundheitsdaten. Durch Projekt­anträge können interessierte Staaten Förderung erhalten.  

 

Neben der erfolgversprechenden und erleichternden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland ist entscheidend, dass die nationalen Systeme nicht vereinheit­licht werden sollen. Vielmehr soll eine „definierte Interoperabilität“ zwischen ausländischen Strukturen geschaffen werden. Jeder Mitgliedstaat richtet hierfür nationale Kontaktstellen für eHealth (National Contact Point for eHealth, NCPeH) ein.  

Deutschland gestaltet digitalen ­Wandel mit

Bei der Einführung und dauerhaften Etablierung des grenzüberschreiten­den Austauschs von Gesundheitsdaten ist die Berücksichtigung der Besonderheiten des deutschen Gesundheitswesens von erheblicher Bedeutung. Denn ein wesentliches Ziel wird dabei sein, den Knotenpunkt, also die nationale Kontaktstelle für eHealth, so zu implementieren, dass sie mit der im Aufbau befindlichen, deutschen Telematikinfrastruktur im Einklang steht und zukunftsfähig ist. Deutscher Projektträger ist die gematik, Gesellschaft für Telematik­anwendungen der Gesundheitskarte. 

 

Deutschland wird sich zunächst bei der Förderinitiative über die An­wen­dung einer ePatientenakte ­einbringen. Ausländische Versicherte sollen da­von profitieren, dass deutsche Leistungserbringer elektronische ­Patientenakten aus dem Ausland abrufen können. Danach ist bis zum Jahr 2020 vorgesehen, deutschen Versicherten deren „Electronic Health Records“, z. B. Notfalldaten, zur ­Ver­fügung zu stellen.  

Ausblick

Letztendlich führt jeder Aufbau grenzüberschreitender Vernetzungen oder interoperabler Systeme in den natio­na­len Organisationen zu großen Anpassungen. Fortschritt mit Umsicht und einer „gesunden Verhältnismäßigkeit“ ist mithin die Devise. Denn lediglich 5 % der Europäer lassen sich in einem anderen EU-Land medizinisch behandeln.1 Am Beispiel der GKV wird die geringe Inanspruchnahme von Leis­tungen im Ausland deutlicher: Bei einem Leistungsvolumen von rund 200 Milliarden Euro bilden die Ausgaben für im Ausland genommene Leistungen nur einen relativ geringen Anteil. Gründe können fehlende Fremdsprachenkenntnisse oder die Entfernung zur Familie sein. 

 

Daher gestalten die Sozialversiche­rungsträger die Veränderungsprozesse auf europäischer Ebene aktiv und mit Augenmaß mit, um die Chancen für eine noch bessere Versorgung für Versicherte und Patienten zu nutzen.