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ed* Nr. 02/2019

Die Rentenversicherung

ed* Nr. 02/2019 – Kapitel 2

a) Finnland


In Finnland ist das System der Rentenversicherung auf drei Säulen aufgebaut. Es umfasst die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung, die staatliche Rente und als letztes Element die garantierte Mindestrente. Die gesetzliche Rentenversicherung ist dezentral organisiert und wird von privaten Trägern durchgeführt. Versichert sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige.


Die Beiträge der Arbeitnehmer werden seit 1993 sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber getragen. Dabei ist ausschließlich der Beitragsanteil des Arbeitnehmers festgeschrieben auf (2019) 6,75 Prozent bzw. 8,25 Prozent (bei einem Alter zwischen 53 und 62 Jahren). Der Arbeitgeberanteil schwankt je nach „Performance“ der einzelnen Träger. Im privaten Sektor beträgt er durchschnittlich 17,75 Prozent. Versichert ist der gesamte Verdienst ohne Obergrenze. Bestimmte beitragsfreie Zeiten werden aus dem Staatshaushalt finanziert. Hierzu zählen unter anderem auch Kindererziehungszeiten. Sie sind mit zwei Jahren allerdings kürzer bemessen als beispielsweise in Deutschland und werden auch niedriger bemessen als in Deutschland: Ein Jahr Kindererziehung erhöht die Rente um etwa zwölf Euro.


Bei den Altersrenten gibt es, anders als in Deutschland, kein fixiertes gesetzliches Standard-Rentenalter. Vielmehr erlaubt der „Korridor“ zwischen einem Mindestalter (zurzeit bei 63,5 Jahren) und einem Höchstalter (bei 68 Jahren) flexible Lösungen. Ein Anpassungsmechanismus sorgt dafür, dass in Zukunft das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird.


Erwerbsminderungsrenten werden in unterschiedlicher Höhe geleistet, je nach dem Grad der Leistungsminderung: bei 40 Prozent Minderung Teilrente und ab 60 Prozent Vollrente (2019). Bei über 60-Jährigen werden niedrigere Hürden gesetzt. Darüber hinaus gibt es noch die staatliche Rente und die garantierte Mindestrente, welche durch die finnische Sozialversicherungsanstalt KELA gezahlt werden. Diese kommen (ergänzend) zum Tragen, wenn keine oder nur geringe Ansprüche erworben wurden. Die Höhe der staatlichen Rente ist vom Familienstand abhängig. Alleinstehende Personen haben einen Anspruch in Höhe von 628,85 Euro pro Monat. Verheiratete (oder in fester Lebensgemeinschaft Lebende) haben einen geringeren Anspruch von 557,79 Euro pro Monat. Die garantierte Mindestrente sorgt dafür, dass jede Person ein Mindest­einkommen von 784,52 Euro pro Monat (Zahlen für 2019) hat.


b) Kroatien


Die kroatische Rentenversicherung basiert auf drei Säulen: der gesetzlichen Rentenversicherung, einer verpflichtenden privaten Rentenversicherung und einer freiwilligen privaten Vorsorge.


Die gesetzliche Rentenversicherung ist umlagefinanziert, wird jedoch durch Steuerzuschüsse (über 40 Prozent der Ausgaben) gestützt, welche insbesondere rentenrechtliche Vergünstigungen für bestimmte Personengruppen (etwa Militär, Polizei, Justiz) abdecken. Die Rentenbeiträge in Höhe von 20 Prozent werden allein von den Versicherten getragen, gegebenenfalls aufgeteilt: 15 Prozent auf die erste und 5 Prozent auf die zweite Säule. Von der gesetzlichen Rentenversicherung werden grundsätzlich alle Erwerbstätigen umfasst, also auch Selbständige. Atypische Arbeitsformen fallen ebenfalls darunter, sofern diese der Einkommenssteuerpflicht unterliegen. Beschäftigungen in besonders gefährdenden Berufen oder Tätigkeiten werden mit bis zum 1,5-Fachen der tatsächlichen Zeit berücksichtigt.

©Yann AvrilDie Rente: Jeder Euro zählt

Für den Bezug einer Altersrente müssen mindestens 15 Versicherungsjahre vorliegen. Das Rentenalter wird für alle, beginnend ab 2028, schrittweise auf 67 angehoben. Heute kann, wer 35 Versicherungsjahre vorweist, vorzeitig bereits mit 60 in Rente gehen. Es sind Ab- bzw. Zuschläge vorgesehen, wenn man vorzeitig in Rente geht oder den Rentenbeginn hinausschiebt: Abschläge von 0,3 Prozent pro Monat, max. 18 Prozent; Zuschläge von 0,34 Prozent pro Monat, max. 20,4 Prozent. Besonders langjährig Versicherte (41 Versicherungsjahre) können mit 60 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen werden Müttern eigener oder adoptierter Kinder zusätzliche sechs Monate pro Kind zu den Versicherungszeiten hinzugerechnet. Unabhängig davon besteht während der Elternzeit im ersten Lebensjahr des Kindes Versicherungspflicht.


Neben vollen gibt es auch teilweise Erwerbsminderungsrenten. Betroffene müssen außerdem seit dem 20. Lebensjahr zu mindestens einem Drittel versichert gewesen sein. Der Rentenanspruch wird alle drei Jahre erneut geprüft. Die Zuständigkeit der Rentenversicherung ist auch bei Erwerbsminderung aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gegeben. Die kroatische Rentenformel ist mit der deutschen vergleichbar. Ergänzt wird die Rente durch einen Rentenzuschlag von 27 Prozent für Zeiten, in denen ausschließlich in die erste Säule eingezahlt wurde, beziehungsweise 20,5 Prozent für Zeiten, in denen auch in die zweite Säule eingezahlt wurde. Ein Mindestrentenanspruch ergibt sich in Abhängigkeit von den vorhandenen Versicherungsjahren.


Hinterbliebenenrenten gibt es für Witwen und Witwer sowie Waisen. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch Eltern und außereheliche Partnerinnen beziehungsweise Partner einen Anspruch.

©Khongtham - stock.adobe.comEin späterer Renteneintritt sichert Zuschläge

c) Blick auf Deutschland: ähnliche Herausforderungen, verschiedene Wege.


Der demografische Wandel stellt alle Rentenversicherungssysteme vor Herausforderungen. Jedes Land geht dabei eigene Wege. Generell sollen die Menschen dazu gebracht werden, länger zu arbeiten und später in Rente zu gehen. Die beiden Länder arbeiten – ebenso wie Deutschland – mit folgenden Mitteln, allerdings in unterschiedlicher Ausgestaltung: Erhöhung des regulären Rentenalters, Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme, Zuschläge beim Hinausschieben des Renteneintritts.


Deutschland hat das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben, mit Übergangsfristen. Dies geschah vor einigen Jahren auch in Kroatien. Anders als in Deutschland haben in Kroatien jedoch die Gewerkschaften mit der Aktion „67 ist zu viel“ mobil gemacht. Unter dem zunehmenden Druck wurde aktuell ein Gesetzesvorhaben gestartet, das Teile der Rentenreform zurücknimmt beziehungsweise abändert. So soll es bei dem Rentenalter von 65 Jahren bleiben und auch die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme sollen gesenkt werden. Das andere Extrem stellt Finnland dar: Das Land hat, vereinfacht gesagt, das Ren-

tenalter sogar auf 68 Jahre angehoben und selbst dies noch als Zwischenschritt fixiert. Zukünftig wird dort das Renten­alter in Abhängigkeit von der Entwicklung der Lebenserwartung festgelegt.


Deutschland hat für Menschen, welche besonders lange ins System eingezahlt haben, eine Möglichkeit geschaffen, vorzeitig ohne Abschläge mit 65 Jahren in Rente zu gehen. Eine vergleichbare Möglichkeit sieht das kroatische System mit 60 Jahren vor. Finnland dagegen hat die Frage des vorzeitigen Ruhestands durch die Schaffung eines „Korridors“ beantwortet und lässt jenseits davon nur sehr eingeschränkt ein vorzeitiges Ausscheiden zu. Während es in Deutschland, abgesehen vom öffentlichen Dienst, für besonders gesundheitsgefährdende Berufe keine Möglichkeit gibt, früher in Rente zu gehen, ist dies in Finnland und Kroatien möglich.


Auffällig ist, dass die Mindestsicherung im Alter völlig unter­schiedlich geregelt ist, unter anderem bei der Frage der Bedürftigkeitsprüfung/Einkommensanrechnung. Auch bei der Beitragshöhe lassen sich erhebliche Unterschiede feststellen. Während der Gesamt-Beitragssatz in Deutschland und Kroatien fast gleich hoch ist, beträgt er in Finnland deutlich über 30 Prozent. In Kroatien sind die Beschäftigten deutlich stärker an der Beitragstragung beteiligt, in Finnland die Arbeitgeber.


Während zudem in Kroatien und Finnland prinzipiell erst einmal alle Selbstständigen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen sind, gilt dies in Deutschland nur für bestimmte Berufsgruppen.


Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass in Kroatien – anders als in Deutschland und Finnland – die gesetzliche Rentenversicherung bestimmte Aufgaben der Unfallversicherung übernimmt. Eine solche gibt es in Kroatien als eigenen Versicherungszweig nicht.