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ed* Nr. 02/2019

Die Unfall­versicherung

ed* Nr. 02/2019 – Kapitel 4

a) Finnland


Die finnische gesetzliche Unfallver­sicherung ist zwar öffentlich-rechtlich

konzipiert, wird aber – und hier liegt

eine Besonderheit des Systems –

vonprivaten Versicherungs­gesell­schaften durchgeführt. Die Wahl des Versicherungsunternehmens ist dem Arbeit­geber frei überlassen.


In Finnland sind alle Arbeitnehmer-innen und Arbeitnehmer ab dem ersten Tag der Beschäftigung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Die Versicherungspflicht be­steht für Personen, die innerhalb eines Kalenderjahres für mehr als zwölf Arbeits­tage beschäftigt werden und ein Jahreseinkommen von mindestens 1200 Euro beziehen.


Zum Kreis der versicherungspflichtigen Personen gehören neben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch die Landwirte sowie Stipendiaten. Für Studentinnen, Studenten und ­Auszubildende gibt es gesonderte Regelungen. Einen weiteren Ausnahmefall stellen beispielsweise die Versicherungsfälle von Staatsangestellten dar, da in diesem Fall das Finanzministerium für die Finanzierung der Leistungen zuständig ist.


Die selbstständig Tätigen haben in Finnland die Möglichkeit einer freiwilligen Absicherung. Dies ist prinzipiell allerdings nur möglich, wenn die Selbstständigen auch (obligatorisch oder freiwillig) im Rentensystem abgesichert sind.


Der Beitrag für den Unfallversicherungsschutz wird in vollem Umfang vom Arbeitgeber getragen. Die Höhe des Beitrags bemisst sich am Lohn der in Finnland zu versichernden Person und am Unfallrisiko der Arbeit.


Die Unfallversicherung erstattet nach Arbeits- und Wege­unfällen sowie bei Berufskrankheiten die Kosten für die notwendige ärztliche Behandlung sowie einen Ersatz für Einkommensausfälle in Form von Tagegeld, Invalidenrente oder einer Rehabilitationsbeihilfe. In den ersten vier Wochen entspricht die Höhe des Tagegelds dem Gehalt während der Krankheitszeit. Danach wird die Höhe gemäß dem Jahresein­kommen festgelegt. Ist der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin ein Jahr nach dem Unfall noch immer arbeitsunfähig, erhält er oder sie eine volle oder teilweise Invalidenrente. Tagegeld, Invalidenrente und Rehabilitationsbeihilfe zählen als zu versteuerndes Einkommen.


Im Todesfall erhalten sowohl die Witwe/der Witwer als auch die Kinder eine Hinterbliebenenrente. Diese ist als zu versteuerndes Einkommen zu betrachten. Zudem wird Bestattungsbeihilfe gezahlt.


Die Patienten haben Wahlfreiheiten (sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor). Der Versicherer ist jedoch berechtigt, das behandelnde Krankenhaus und eine einmalige Behandlung bei einem Arzt zu bestimmen.


Das Gesetz legt Anforderungen fest, die Arbeitgeber in Bezug auf den Arbeitsschutz umsetzen müssen.

Andrey PopovNach einem Unfall ist eine schnelle Eingliederung entscheidend.

b) Kroatien


Die kroatische Unfallversicherung zeichnet sich zunächst einmal dadurch aus, dass es sie nicht gibt – jedenfalls nicht als eigenständigen Zweig der Sozialversicherung. Im Fall eines Unfalls oder einer Berufskrankheit treten vielmehr die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung ein. Die Rentenversicherung deckt langfristige Leistungen wie z. B. Erwerbsminderungsrenten ab, die Krankenversicherung kurzfristige Leistungen wie Behandlungskosten und Sachleistungen. Abgesichert sind Arbeits- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten.


Obligatorisch versichert sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Selbstständige. Unter besonderen Umständen stehen auch Studenten im Praktikum, Mit­glieder der freiwilligen Feuerwehr oder auch Retter bei Naturkatastrophen unter dem Versicherungsschutz.


Das System ist beitrags- und steuerfinanziert. Der an die Rentenver­sicherung zu zahlende Anteil unterteilt sich in die erste Säule mit einkommensbezogenen Beiträgen von Versicherten und Steuern und in die zweite Säule von Beiträgen der Versicherten und Renditen. Der Anteil zur Krankenversicherung besteht aus Beiträgen der Arbeitgeber und Steuern.


Für die Bestimmung des Leistungsumfangs und der Leistungsvoraussetzungen kann es auf die Ursache des Gesundheitsschadens ankommen. Zunächst einmal greifen auch nach einem Arbeitsunfall beziehungsweise im Fall einer Berufskrankheit die Leistungskataloge der Kranken- und der Rentenversicherung. Die Krankenversicherung übernimmt alle Kosten für medizinische Behandlungen und Rehabilitation sowie die Zahlung von Verletztengeld. Für die Kosten einer beruflichen Rehabilitation kommt zunächst die Rentenversicherung auf. Berufsumschulungen dagegen werden von der Arbeitslosenversicherung finanziert. Unfallbedingte Erwerbsminderungsrenten werden nach den Grundsätzen der Rentenversicherung unter Berücksichtigung der Beschäftigungsjahre berechnet. Der Zugang ist allerdings unabhängig von den sonst üblichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Zusätzlich gibt es im Fall berufsbedingter Gesundheitsschädigungen Behindertenbeihilfen.


Insbesondere das kroatische Institut für Arbeitsschutz integriert und fördert berufliche Tätigkeiten im Bereich des Arbeitsschutzes, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Arbeitsunfälle und -krankheiten zu vermeiden.

©Laymanzoom - stock.adobe.comWegeunfälle sind auch in Finnland und Kroatien versichert

c) Blick auf Deutschland: Systeme nur schwer vergleichbar

Die Unfallversicherungssysteme könnten im Vergleich kaum unterschiedlicher sein: Deutschland mit seinem öffentlichen System, Finnland mit seinem zwar obligatorischen, aber privat verwalteten System und schließlich Kroatien mit der weitgehenden Abwesenheit eines eigenständigen Trägers. Obwohl sie in ihrer Organisation verschieden aufgestellt sind, wollen alle drei Nationen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den bestmöglichen Arbeitsschutz und optimale Versorgung bieten. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung stellt unter den drei Ländern als einzige eine eigenständige Säule im Gesamtkonstrukt des Sozialversicherungssystems dar. Im Gegensatz zum finnischen Unfallversicherungssystem handelt es sich bei deutschen Unfallversicherungsträgern um rechtsfähige Körperschaften öffentlichen Rechts. Während Kroatien die Verantwortung an die Renten- und Krankenversicherung übergibt, bezieht Finnland die privatwirtschaftlichen Versicherer mit ein, die untereinander im Wettbewerb stehen.


Auch im versicherungspflichtigen Personenkreis sind Unterschiede zu erkennen. Lediglich Kroatien bezieht seine Selbstständigen obligatorisch mit in die Pflichtversicherung ein. Finnland und Deutschland mit seiner „unechten“ Unfallversicherung setzen dagegen, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, weitgehend auf eine freiwillige Absicherung der Selbstständigen.


Alle nationalen Systeme kennen Gesundheits-, Rehabilitations- und Geldleistungen bei verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Hinterbliebenenleistungen. International betrachtet hat Deutschlands gesetzliche Unfallversicherung eine sehr deutlich hervortretende Vorbildfunktion. Eine intensive Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit sensibilisiert für die Thematik. Im finnischen System gibt es für den Arbeitgeber bestimmte Vorgaben für die Einhaltung des Arbeitsschutzes und Maßnahmen zur Prävention. Die Ausgestaltung bleibt unter anderem jedoch auch dem jeweiligen Versicherer vorbehalten.


Kroatien, ein vergleichsweise junges Sozialversicherungssystem, verpflichtet Arbeitgeber, für Sicherheit im Arbeitsumfeld zu sorgen. Die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen ist erkannt und im Kommen.


Die verschiedenen Systeme können voneinander lernen. Während beispielsweise auch in Deutschland eine wei­tergehende Einbeziehung der Selbstständigen ihre Berechtigung fände, könnte das deutsche „Mit allen geeigneten Mitteln“- und Solidaritätsprinzip in Finnland und Kroatien Anklang finden, zumindest bei den potenziellen Versicherungsberechtigten.


Eine ausführlichere Darstellung der Systeme Finnlands und Kroatiens finden Sie im Hintergrunddokument.