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ed* Nr. 02/2019

Das Gesundheitswesen

ed* Nr. 02/2019 – Kapitel 3

a) Finnland


Das finnische Gesundheitssystem ist als „Bürgerversicherung“ im Wesentlichen steuerfinanziert.


Der Sicherstellungsauftrag zur primärärztlichen Grundversorgung liegt bei den 300 Kommunen. Private Gesundheitseinrichtungen stellen im System die Ausnahme dar. Der Preis- und Qualitätswettbewerb wird verstärkt durch überregionale Ausschreibungen auf Gesundheitsleistungen ausgelöst, an welchen sich auch private Einrichtungen beteiligen können. Das öffentliche Gesundheitswesen umfasst auch Leistungen im Pflegefall.


Circa 80 Prozent der Ausgaben für Gesundheit werden aus öffentlichen Mitteln finanziert und kommunal entlang der Versorgungsbedarfe verwaltet. Die Kommune erhebt zur Sicherstellung und Erbringung der Versorgung eine Steuer, die je Kommune zwischen 18 und 22,5 Prozent des versteuerungsfähigen Einkommens beträgt. Ergänzend erhalten die Kommunen nicht zweckgebundene Steuerzuschüsse des Zentralstaats. Ein Teil der gesundheitsbezogenen Ausgaben – insbesondere Krankengeld nach Auslaufen der Lohnfortzahlung – wird durch die nationale Krankenversicherung finanziert, in die auch die Selbstständigen und Rentner einbezogen sind. Die Abgaben betragen zwischen 1,5 und 2,1 Prozent.


Eine Besonderheit stellt die betriebsmedizinische Versorgung in der ambulanten, primärärztlichen Versorgung dar. In Finnland hat etwa ein Drittel der Bevölkerung Zugang zu diesem Parallelsystem – innerhalb der Erwerbsbevölkerung sind es 87 Prozent. Die betriebsmedizinische Versorgung ist ein relevantes Wettbewerbselement der Arbeitgeber, da zum Beispiel Wartezeiten oder Gatekeeper (offizielle erste Anlaufstellen) des öffentlichen Systems reduziert oder vollständig umgangen werden können. Auch die Lohnfortzahlung durch die Arbeitgeber im Krankheitsfall von bis zu zwei Monaten ist wettbewerbsrelevant.


Ergänzend entrichten die Finnen private Beiträge zu ihrer Gesundheitsversorgung oder versichern sich ergänzend privat. Diese Zusatzversicherung dient dazu, bestimmte, vom öffentlichen System nicht getragene Leistungen bzw. Selbstbehalte zu finanzieren, die in Finnland durchaus ins Gewicht fallen. Die durchschnittliche Selbstbeteiligung liegt bei 718 Euro pro Kopf (2015).


Mit der weiteren Öffnung der Wahlfreiheit sollen Wartezeiten abgebaut und die Erreichbarkeit erleichtert werden. Die strengen Regeln der Mindestmengen und Konzentration spezialisierter Leistungen in der stationären Versorgung zeigen, dass Qualität klar vor Erreichbarkeit steht.

©FotoIdee - stock.adobe.comLohnfortzahlung und Krankengeld – auch in anderen Ländern

b) Kroatien


Das kroatische Gesundheitsministerium setzt den strategisch-regulatorischen Rahmen zur Finanzierung, Leistungserbringung und Sicherstellung der Versorgung und beauftragt das Gesundheitsinstitut (HZZO) mit der operativen Sicherstellung der Versorgung.


Das HZZO verwaltet pro Jahr ca. 2,9 Milliarden Euro (2016) und finanziert damit die Gesundheitsversorgung des Landes. Das kroatische öffentliche Gesundheitswesen wird aus drei Quellen finanziert. Der größte Anteil (91 Prozent) wird aus den Beiträgen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung generiert. Die Beiträge werden vollständig vom Arbeitgeber getragen. Seit dem 1. Januar 2019 liegt der Beitrag bei 16,5 Prozent. Für Versicherte besteht die Möglichkeit, sich durch freiwillige Zusatzversicherungen gegen diese Zuzahlungen abzusichern. Diese Zusatzversicherung wird vom HZZO selbst angeboten. Die Zuflüsse aus den Prämien der Zusatzversicherung belaufen sich auf ca. 210,6 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anteil von 7,3 Prozent der Einnahmen. Die Prämie liegt bei 14,63  Euro pro Monat.


Als dritte Finanzierungquelle fließen aus Steuergeldern generierte Zuschüsse in Höhe von 45 Millionen Euro an das HZZO. Grund dafür sind unter anderem Herausforderungen in der Beitragserhebung durch Beitragsreduzierung oder Beitragsbefreiung oder entgangene Beiträge durch Schwarzarbeit. Im öffentlichen Gesundheitswesen versicherte Personen leisten für alle Gesundheitsleistungen, außer im Notfall, Zuzahlungen. Bei der Abgabe von Arzneimitteln leisten Versicherte eine Zuzahlung von zwei Euro pro Verschreibung beziehungsweise pro Besuch beim Allgemeinarzt. Für fachärztliche, zahnärztliche, physiotherapeutische und rehabilitative Leistungen sind ebenfalls Zuzahlungen definiert, welche die Behandlungskosten anteilig decken. Im Krankenhaus fallen Zuzahlungen in Höhe von 20 Prozent der Kosten, mindestens 20,90 Euro je Krankenhaustag, an. Insgesamt sind die Zuzahlungen pro Behandlungsepisode auf umgerechnet 418 Euro Kaufkraftparität gedeckelt. Eine Behandlungsepisode umfasst einen Besuch beim niedergelassenen Arzt/Ärztin und einen Krankenhausaufenthalt.


Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung. In den ersten 42 Krankheitstagen leistet der Arbeitgeber Zahlungen in der im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbarten Höhe. Diese muss jedoch mindestens 70 Prozent des Durchschnittseinkommens der letzten sechs Monate betragen. Ab dem 43. Krankheitstag verrechnet der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung mit dem HZZO.


Fazit: Trotz der finanziellen Herausforderungen durch fehlende Einnahmen aufgrund von Schwarzarbeit, umfassenden Beitrags- und Zuzahlungsbefreiungen, unwirtschaftlichen Zusatzversicherungsverträgen und einer volatilen Wirtschaftslage wurde der Leistungsumfang schrittweise ausgeweitet. Dieser ist mittlerweile mit dem anderer Mitgliedstaaten vergleichbar.


Die strategischen Entwicklungsrichtungen des Gesundheitswesens bestehen darin, die Verbindung und Kontinuität im Gesundheitswesen sicherzustellen, die Qualität der Gesundheitsfürsorge zu vereinheitlichen und zu verbessern, die Effizienz und Wirkung des Gesundheitswesens zu optimieren und damit den Erhalt der Gesundheitsfürsorge wirtschaftlich zu sichern.

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c) Blick auf Deutschland: Der Weg

zur Modernisierung der Gesundheitssysteme


Die Beschreibung der Gesundheitssys­­teme zeigt, dass die angestoßenen Reformen in Finnland und Kroatien das Ziel verfolgen, die Finanzierung der Systeme langfristig zu sichern.


Während in Finnland die soziogeografische Lage der Auslöser für die Gebiets-, Finanzierungs-, Gesundheits- und Sozialreform ist, entwickelt sich in Kroatien ein junges Gesundheitswesen, welches seine Versorgungsstrukturen sukzessiv ausbaut. Somit wird der Fokus der Reformen unterschiedlich ausgelegt. Das finnische System muss seine Versorgungsstrukturen optimieren, um die erwartete Ausgabenentwicklung abzufedern, während es in Kroatien insbesondere einer langfristigen Strategie bedarf, dem System die fehlenden Einnahmen zur Verfügung zu stellen.


Auch das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in einer Phase vielseitiger Reformvorhaben. Die Gesetzesvorschläge des Bundesministeriums für Gesundheit reichen in den Versorgungszweigen vom Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, dem Masernschutzgesetz oder dem Implantateregister-Errichtungsgesetz über zahlreiche Berufsgesetze bis hin zum Gesetz zur Stärkung der Rehabilitation und der Intensivpflege.


Die Systeme vereint das Streben in Richtung einer Modernisierung der Systeme entlang digitaler Lösungsansätze. In Finnland wurde das E-Rezept seit 2010 schrittweise eingeführt. Das E-Rezept ist heute vollständig etabliert. Seit Januar 2019 können die Finnen elektronisch erstellte Rezepte in Estland­ und seit April 2019 in Kroatien einlösen. Ab dem Jahr 2022 wird das E-Rezept mit individuellen Medikationsdaten ergänzt. Einen weiteren Schritt machen die Finnen mit dem Gesetz zur „Sekundärdatenverarbeitung von Gesundheits- und Sozialdaten“. Das Gesetz ist die Grundlage dafür, Gesundheits- und Sozialdaten sicher und effektiv zu verarbeiten und ebnet den Weg in Richtung der Daten-ökonomie, welche Teil der nationalen Strategie Finnlands ist. Die Kroaten haben in Ihrer „e-Croatia 2020 Strategy“ Handlungsfelder definiert. Die Vision besteht darin, eine Administration zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger aufzubauen. Diese schließt das nationale Gesundheitsinstitut HZZO ebenso wie die grenzüberschreitende Versorgung (E-Rezept) ein.


In Deutschland stellt die gesetzliche Krankenversicherung seit 2016 im Innovationsfonds finanzielle Mittel zur Förderung innovativer Versorgungsformen zur Verfügung, welche in die Regelversorgung überführt werden sollen. Die Weiterführung des Innovationsfonds bis 2024 wird im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) geregelt. Das DVG sieht darüber hinaus den verstärkten Einsatz von Telemedizin, den geregelten Anspruch der Versicherten auf digitale Gesundheitsanwendungen (Apps) vor sowie die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anzubieten.


Mit Blick auf die Ratspräsidentschaften der Länder lassen sich erste Schwerpunkte in Richtung des digitalen Datenaustauschs und der Datenverarbeitung durch Künstliche Intelligenz erkennen. Diese umfassen beispielsweise den Ausbau des grenzüberschreitenden Austauschs von Versichertendaten oder den Aufbau eines European Health Data Space.


Im Bereich des EU-weiten digitalen Informationsaustauschs werden bereits heute in elektronischen Referenznetzwerken Kompetenzen grenzüberscheitend gebündelt, um Wissen und Behandlungsmethoden zur Behandlung seltener Krankheiten auszutauschen.