Die im Juni 2019 anste­hende Euro­pa­wahl wirft ihre perso­nal­po­li­ti­schen Schatten voraus. Wird es wie 2014 einen „Wahl­kampf“ um den Dienst­posten des Präsi­denten der EU-Kommis­sion geben?

GD/AD – 01/2018

Beide großen politischen Lager, sowohl die Sozialdemokraten als auch die Christsozialen, hatten sich 2014 überraschend für den „Spitzenkandidatur-Prozess“, d.h. die inoffizielle Wahl des Kommissionpräsidenten durch die Bürgerinnen und Bürger stark gemacht, obwohl dies nach Lage der Regeln in der Wahl zum Europäischen Parlament bzw. zur Ernennung des Kommissionspräsidenten (durch den Europäischen Rat) eigentlich gar nicht bestimmt werden kann. Man wollte damals die Machtzentren der EU auf diesem Weg wohl den Wählern greifbarer präsentieren. Beobachter erwarten, dass dies 2019 erneut so sein könnte.  

Namen im Gespräch

Medienberichten zufolge sollen aus den verschiedenen Lagern und Interessengruppen schon Kandidaten und Kandidatinnen benannt worden sein. Da wäre z.B. der amtierende Kommissar und Chefunterhändler in Brexitsachen, Michel Barnier. Der Gaullist Barnier ist ein ausgewiesener Diplomat und wäre als Franzose normalerweise der Unterstützung seines Landes sicher. Angeblich bevorzuge Macron jedoch die sozialliberale Dänin Margrete Vestager, bislang Wettbewerbs-Kommissarin in Brüssel. Die in vielen EU-Mitgliedstaaten in jüngsten Wahlen schwer angeschlagene Sozialdemokratie soll in der gegenwärtigen Außenbeauftragen, der Italienerin Federica Mogherini, eine geeignete Bewerberin sehen. Auch der einflussreiche Erste Vizepräsident der heutigen Kommission, Frans Timmermans, ein Sozialdemokrat, gilt dort als chancenreich. Als eher von außen kommende Person von Rang gilt die IWF-Präsidentin, die Französin Christine Lagarde.  

Alli­anzen könnten sich ändern

Manche Ereignisse, etwa die in wenigen Monaten anstehende Parlamentswahl in Italien, könnten zudem sogar dazu beitragen, dass sich bisherige Allianzen strukturell verändern. Die EVP etwa könnte die jeweiligen nationalen Politiken einiger ihrer Mitglieder als unvereinbar mit ihren europapolitischen Zielen betrachten. So sind die Mitgliedschaft der Berlusconi-Partei Popolo della Libertà (vormals Forza Italia) oder diejenige der ungarischen Fidèsz des Premiers Viktor Orban in der EVP schon heute nicht eben unumstritten. Ein neuer Einfluss Berlusconis – auch aus dem Hintergrund – auf den Fortgang der italienischen Politik nach der dortigen Wahl im Frühjahr könnte den populistischen Kurs der Partei verstärken und zu Konflikten in der EVP-Gemeinschaft führen. Viktor Orbans Politik schließlich ist in vielem das direkte Gegenteil der CDU-Politik in Deutschland. 

Sozial stabi­li­sierte EU ist entschei­dend

Auch gilt manchen Betrachtern eine verstärkte Tendenz zur regionalen Abspaltung – man denke an Katalonien, neue Töne aus Korsika, Flandern oder andere solche Regionen – in Verbindung mit populistischen Strategien nicht eben als unwahrscheinlich. Vieles wird davon abhängen, ob die EU bis zur Wahl ernsthaft die unmittelbaren Krisenfolgen für Millionen Miteuropäer zumindest lindert oder den Kurs von thematisch eher schwammigen Verheißungspolitiken mit wenig greifbaren Zukunftsvisionen fortsetzt. Diskussionen, so meinen etliche Experten um eine europarechtlich problematische „Neugründung Europas“, gar eine solche, nur um zusätzliche „hochrangige“ jedoch nach Rechtslage weitgehend kompetenzlose Posten, wären möglicherweise Gift für eine sozial stabilisierte EU-Zukunft in höchstmöglichem politischen Miteinander. 

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