Nach einem Scan des Gesundheitswesens plant die französische Regierung operative Eingriffe in das seit Jahrzehnten Gewachsene.

GD/AD – 04/2018

Wartezeiten

Der Zugang zu verschiedenen Formen der sozialfinanzierten Gesundheitsversorgung in Frankreich hat sich in den vergangenen Jahren offenbar auffällig verschlechtert. Wie Medien melden, sei die durchschnittliche Wartezeit für einen Facharzttermin im Bereich der ambulanten Versorgung zwischen 2012 und heute von damals 13 Tagen auf heute mehr als 60 Kalendertage angestiegen. Demnach seien alle Facharztgebiete grundsätzlich betroffen. Unterschiede ergäben sich allenfalls noch nach Region oder einer Kombination aus Region und Fachrichtung. Augenärzte in Metropolen etwa hätten in 2017 durchschnittlich 117 Tage Wartefrist gehabt, Gynäkologen immerhin noch 68 Tage. 

Zwischen den Regionen gäbe es zudem nicht unerhebliche Unterschiede. Der Norden, ohnehin schon ökonomisch benachteiligt und von erheblichen sozialen Brennpunkten geprägt, sei nach den Erkenntnissen von Experten deutlich schlechter aufgestellt als der Süden. Im Krankenhausbereich seien Wartelisten – einst ein politisches Argument gegen die „britischen Zustände“ des NHS – mit steigender, wenngleich geringerer Tendenz erkennbar. Auffälligerweise seien die Wartelisten für nicht-notfallbedingte Hospitalkontakte in bestimmten Fachrichtungen sogar geringer als in der ambulanten Versorgung. 

„To-do-Liste“ der Regierung

Trotz relativ geringerer Wartezeiten steht auch der Krankenhausbereich auf der „To-do-Liste“ der französischen Regierung. Dazu legten der Ministerpräsident Edouard Philippe und die Gesundheitsministerin Agnès Buzyn unlängst ein Reformprogramm als Entwurf vor. Mit „Fünf Achsen für eine grundlegende Strukturveränderung“ soll das sich offenbar rasch verschärfende Problem ebenso angegangen werden wie mit einer Finanzspritze von zusätzlichen 100 Millionen Euro pro Jahr – trotz allgemeiner Sparzwänge. 

Auf der Aktivitätenliste der französischen Regierung stehen des weiteren mit hoher Priorität die Qualität der Versorgung, deren Sachdienlichkeit und nachgewiesener Nutzen, die Finanzierungsmodi und die Regelungs- und Steuerungsmöglichkeiten des Versorgungsprozesses, die Digitalisierungsfähigkeit des Systems sowie die Aus- und Fortbildung, zusammen mit den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. 

Die Neubewertung der regionalen Organisation der Versorgung im Krankenhaus soll ebenfalls mit Priorität in Angriff genommen werden. Dies bedeutet nach Meinung von Kennern des französischen Systems massive Eingriffe in das seit Jahrzehnten Gewachsene und Gewohnte. Sowohl das Abrechnungssystem, was nach wie vor einen Schwerpunkt auf einmal festgesetzte „actes médicaux“ – einzeln bepreiste systemrelevante Tätigkeiten – statt auf prozessorientierte ganzheitliche Versorgung setzt, wäre berührt, als auch manche arbeitsrechtlichen Besonderheiten. 

Reformen mit Ansage

Gerade der Neuordnung der Spitalfinanzierung käme große Bedeutung zu. Präsident Emmanuel Macron hatte im Wahlkampf bereits angekündigt, im Gesundheitswesen die Basisvergütung „per vollzogenem Akt“ bis zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit auf maximal 50 Prozent abzusenken, um qualitäts- und leistungsgerechtere Aspekte aufzuwerten. Beobachtern gilt ein so umfassender Eingriff in alte Strukturen und Rollen ebenso für notwendig, als auch für potentiell politisch konfliktbeladen.