Deutsche Sozialversicherung macht sich stark für Interessenausgleich aller Beteiligten bei Restrukturierungsrahmen und „Zweiter Chance“.

KL – 06/2018

Die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung haben mit einer Stellungnahme Änderungsvorschläge zur geplanten Richtlinie über präventive Restrukturierungsmaßnahmen und die zweite Chance unterbreitet. 

Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission über „präventive Restrukturierungsmaßnahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU“, wird derzeit im europäischen Gesetzgebungsverfahren beraten. Mit der Initiative soll ein europäischer Rahmen für die rechtzeitige Restrukturierung von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten geschaffen werden. Bereits insolventen Unternehmerinnen und Unternehmern soll eine zweite Chance gewährt werden, um einen wirtschaftlichen Neuanfang zu erleichtern. Wir hatten bereits im Mai 2018 über Einzelheiten des Richtlinienvorschlages der Europäischen Kommission berichtet. 

Einschätzung der deutschen Sozialversicherung

Von den Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung wurden die Auswirkungen, die mit der Umsetzung der Gesetzesinitiative für die deutschen Sozialsysteme verbunden wären, ausführlich untersucht. Bei der deutschen Sozialversicherung stößt die Initiative auf Kritik, weil Gläubigerinteressen und das Interesse der Mitgliedstaaten an einem funktionierenden System der sozialen Sicherheit im Richtlinienvorschlag nicht ausreichend berücksichtigt würden. Die Initiative wird als insgesamt unausgewogen und mit einer Orientierung allein am Interesse des Schuldners an einer Schuldenbefreiung bewertet. 

Gläubigerschutzinteressen bleiben unberücksichtigt

Der Richtlinienvorschlag schränkt aus Sicht der deutschen Sozialversicherung in erheblichem Maße den Schutz der Gläubiger zugunsten von Restrukturierungsmaßnahmen des Schuldners ein. In erster Linie belastet durch die geplanten Verfahren wären öffentlich-rechtliche Gläubiger – und damit auch Träger der deutschen Sozialversicherung –, weil sie sich aufgrund des auf gesetzlichen Vorschriften beruhenden Kontrahierungszwangs gegen Forderungsausfälle gegenüber Unternehmen nicht absichern könnten. Diese Gläubiger trügen die Hauptlast von schuldnerbefreienden Restrukturierungsverfahren bereits jetzt nach den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Verfahren. Die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung befürchten, dass sich Forderungsausfälle mit der Einrichtung von weitergehenden frühzeitigen Restrukturierungmaßnahmen – anders als dies von der Europäischen Kommission eingeschätzt wird – noch erhöhen könnten. 

Unberücksichtigte negative Entwicklungen

Die Wettbewerbssituation zwischen Unternehmen in der Restrukturierungsphase mit schuldnerbegünstigenden Maßnahmen und bei der Gewährung der zweiten Chance und Unternehmen, die in Konkurrenz zu diesen Schuldnern stehen, wurde aus Sicht der deutschen Sozialversicherung nicht in Betracht gezogen.  

 

Die geplante Regelung zu Restrukturierungsrahmen soll es Schuldnern gestatten, während der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan mit den Gläubigern eine Anordnung über die Aussetzung von Durchsetzungsmaßnahmen zu beantragen. Die deutsche Sozialversicherung sieht negative Auswirkungen dahingehend, dass sich Schuldner durch die Flucht in die Restrukturierung von den Beiträgen zur sozialen Sicherheit, insbesondere zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zumindest zeitweise befreien könnten. Restrukturierungsmaßnahmen könnten dadurch nicht nur zu Lasten der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und damit auch der Absicherung von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und pflichtversicherten Selbständigen gehen. Auch würden Unternehmen, die sich der Verantwortung für die sozialen Sicherungssysteme stellen, demgegenüber benachteiligt. 

Änderungsvorschläge der deutschen Sozialversicherung

Die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung setzen sich im Rahmen der derzeit stattfindenden Beratungen der Gesetzesinitiative in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments mit Änderungsvorschlägen für einen Interessenausgleich aller Beteiligten bei Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren ein.  

 

Kernpunkt der unterbreiteten Änderungsvorschläge ist, die Beiträge zu den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit sowohl von der Aussetzung der Durchsetzungsmaßnahmen als auch von der Entschuldung im Wege der zweiten Chance auszunehmen, respektive den nationalen Gesetzgebern die Möglichkeit zu gestatten, diese Forderungen von Restrukturierungs- und Entschuldungsmaßnahmen auszunehmen. 

 

Die unterbreiteten Änderungsvorschläge haben den Schutz der Gläubigerinteressen von nationalen Systemen der sozialen Sicherheit zum Ziel, um eine Schieflage zu deren Lasten in Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren zu verhindern.