Italiens Haushalt belastet EU-Politik
Sozialpolitische Verbesserungen können aus Brüsseler Sicht durch Umverteilung innerhalb Italiens finanziert werden.
GD/AD – 11/2018
Die neue Rechtsregierung in Italien fordert derzeit Brüssel
und die traditionelle Eurorettungspolitik dadurch heraus, dass man entgegen der
Vorgabe auf einem höheren Staatsdefizit beharrt. In Brüssel sind viele Experten
der Meinung, dass das in Italien vorhandene Privatvermögen, welches pro Bürger
durchschnittlich höher ist als zum Beispiel in Deutschland, genügend Umverteilungsspielraum
lasse für die Finanzierung sozialpolitischer Leistungen. Demnach bleibt es Italien
unbenommen, etwa eine Grundsicherung für Arbeitssuchende einzuführen, nur müsste
diese solide gegenfinanziert sein.
Die der Wirklichkeit vorauseilenden Effekte sind seit Wochen
an den Börsen durchaus dramatisch zu verfolgen. Brüssel versucht es zwar, sich mit
deutlichen Worten Gehör zu verschaffen, könnte dabei aber, nach Meinung
von Beobachtern, auch scheitern. In der Tat hat Brüssel vergleichbare
Planverstöße anderer Mitgliedstaaten durchaus nicht a priori abgelehnt.
Frankreich hatte demnach über viele Jahre höhere Neuverschuldungen, als
„erlaubt“.
Der
„Corriere della Sera“ vermutet, dass die „neue Härte“ Brüssels auch mit dem
Charakter der gegenwärtigen italienischen Regierung zu tun hätte. Die Koalition
aus Rechts- und Linkspopulisten versteht es jedenfalls, auch solche
Italienerinnen und Italiener hinter sich zu vereinen, die weit entfernt davon
wären, die harten Extremziele und Praktiken der Regierenden in Rom zu
unterstützen. Die allgemeine Ablehnung der „Budgetfremdbestimmung“ und die oft
unbefriedigende Rolle des einstigen „governo tecnico“ verbindet demnach
sozialpolitisch frustrierte Bevölkerungskreise auch jenseits von
Parteipräferenzen.
Wie auch immer Brüssel entscheidet: die Chancen, dabei
erfolgreich gegen die italienische Regierung sein zu können, sind nach Meinung
von Insidern nicht besonders groß. Geriete Italien ernsthaft ins Trudeln, so
gäbe es keinen funktionierenden Rettungsschirm, der diese Last stemmen könnte. Eine
von italienischen Banken ausgelöste Krise hätte binnen Stunden oder Tagen einen
EU-weiten Effekt, auch bei uns in Deutschland und gewiss im dort
hochengagierten Frankreich.
Der neugewählte EVP Spitzenkandidat Manfred Weber führt nach
einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ vom 20.November 2018 aus, dass die
Wirtschafts- und Finanzkrise“ „überwunden“ sei. Die Welt berichtet überdies,
dass nach seiner Auffassung „sich die Menschen auf dem ganzen Kontinent nach
Botschaften sehnen, die wieder optimistisch sind“.
Auch wenn zahlreiche Ökonomen grundsätzlich andere
Einschätzungen zur Bewältigung der Euro- und Schuldenkrise vortragen, kann ein
fundamentaler Konflikt mit einer Eskalation der italienischen Finanzsituation
kaum in das Vorwahlkonzept der EU passen. Ebenso wenig dürften die Regierenden
am Tiber bereit sein, sich zu fügen, zumal ihnen der Konflikt mit der in
Italien überaus unpopulären EU neue Wählerkreise erschließt.