
Brexit: Auswirkungen auf die Sozialversicherung
Die deutsche Sozialversicherung bereitet sich auf verschiedene Austrittsszenarien vor und stellt Informationen für Versicherte, Arbeitgeber, Erwerbstätige und Leistungserbringer bereit.
KB – 01/2019
Politisches Dilemma
Das Unterhaus des Vereinigten Königreiches hat am 15. Januar 2019 das mit
der Europäischen Union ausgehandelte Brexit-Abkommen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Vorangegangen waren die Volksabstimmung im Juni 2016, in der sich eine knappe Mehrheit
der beteiligten Bürgerinnen und Bürger für einen Austritt des Vereinigten Königreiches und Nordirlands (Vereinigtes Königreich) aus der EU
ausgesprochen hatte und die Austrittserklärung des Vereinigten Königreichs vom 29. März 2017. Neue Lösungen für das Brexit-Dilemma sind auf der
politischen Ebene zurzeit noch nicht in Sicht; darüber berichten wir hier (UK:
Gelingt ein lagerübergreifender Konsens?).
Die deutsche Sozialversicherung informiert über verschiedene Szenarien.
Austrittsabkommen
Im Falle eines Austrittsabkommens würden die Verordnungen über die Koordinierung der
Systeme der sozialen Sicherheit, nämlich die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004, (EG) Nr.
987/2009 und (EG) Nr. 859/2003 i. V. mit (EWG) Nr. 1408/71, für eine
Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 weiterhin Anwendung finden; für die Zeit
danach müssten Neuregelungen ausgehandelt werden. Nach der Ablehnung des
Austrittsabkommens durch das britische Parlament kommt diese Option nur bei
Nachverhandlungen und erneuter Vorlage an die Parlamente in London und Brüssel
in Betracht.
Ungeregelter Austritt: No Deal-Brexit
Im Falle
eines ungeregelten Brexits würde ab dem 30. März 2019 möglicherweise das
deutsch-britische Sozialversicherungsabkommen vom 20. April 1960 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich wieder anzuwenden
sein, da ab diesem Zeitpunkt die obengenannten Verordnungen im Verhältnis zum
Vereinigten Königreich nicht mehr gelten. Dieses Abkommen ist in seinem
Anwendungsbereich nicht deckungsgleich mit den genannten Verordnungen. So sind
beispielsweise die Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nicht erfasst.
Für
den Fall eines No Deal-Brexit hat
die Bundesregierung deshalb den Entwurf eines „Gesetzes zu Übergangsregelungen in den
Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach
dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der
Europäischen Union (BrexitSozSichÜG)" vorgelegt. Das entsprechende parlamentarische
Verfahren könnte noch vor dem 29. März 2019 abgeschlossen werden, sodass bei einem
ungeregelten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU übergangsweise Rechtssicherheit
für betroffene Personen in Bezug auf Versicherungsstatus und Leistungsansprüche für alle Versicherungszweige geschaffen wird.
Der Gesetzesentwurf sieht z. B. vor, dass Renten, deren Beginn vor dem Brexit lag, in
bisheriger Höhe weitergezahlt werden und britische Versicherungszeiten bei der
Feststellung von Rentenansprüchen weiterhin Berücksichtigung finden. Die
Regelungen gelten jedoch nicht für Personen, die erst nach dem Brexit eine Beschäftigung
in Großbritannien/Deutschland aufnehmen.
Verlängerung der Austrittsfrist
Eine Verlängerung der
Austrittsfrist über den 29. März 2019 hinaus wäre nur mit Zustimmung der 27
verbleibenden EU-Staaten und bei Vorlage triftiger Gründe, wie einer zweiten
Volksabstimmung oder bei Neuwahlen, möglich.
Exit vom Brexit
Schlussendlich könnte das Vereinigte Königreich bis zum 29. März 2019 auch
den Austritt aus der Europäischen Union einseitig und ohne Zustimmung der
anderen Mitgliedstaaten zurücknehmen (Exit
vom Brexit), sofern nicht bereits bis dahin ein Austrittsabkommen in Kraft getreten
ist. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am 10. Dezember 2018 in seinem Urteil
C-621/18. Nach derzeitiger Lage gibt es hierfür jedoch keine politischen
Mehrheiten.
Weitere spezielle
Informationen aus den Bereichen der deutschen Sozialversicherung finden Sie
hier:
Gesetzliche Kranken- und
Pflegeversicherung:
https://www.dvka.de/de/informationen/brexit/brexit.html
Gesetzliche
Rentenversicherung: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/0_Home/meldungen/2019_01_18_brexit_grossbritannien.html
Gesetzliche Unfallversicherung: https://dguv.de/de/internationales/neues/2019/20190118_brexit/index.jsp