
Italien: Soziale Themen beherrschen Wahlen
Wartelisten und Abdrängung in teure Privatbehandlungsstrukturen kennzeichnen das öffentliche Gesundheitssystem.
GD/AD – 04/2019
Bei der Regionalwahl in der Region Abruzzen erreichte das Mitte-Ultra-Rechts-Bündnis, vom Innenminister Salvini orchestriert und mit
populären Themen lautstark und reich an Tweets besetzt, zusammen 48 Prozent, das Linksbündnis nur 31,3 Prozent. Künftig wird der Politiker Marco Marsilio von
den Fratelli d’Italia Partei – trotz der relativen Schwäche seiner
Gruppierung – den Posten des einflussreichen Regierungspräsidenten ausüben.
Im Wahlkampf waren verstärkt sozialpolitische Themen bemüht worden. Daran
bestand in der Region Abruzzen kein Mangel. Nach wie vor geht es um soziale
Infrastruktur, etwa im Gesundheitswesen, die noch immer spürbaren
unzureichenden Behebungsversuche des katastrophalen Erdbebens in Aquila vom
April des Jahres 2009 und allgemeine infrastrukturelle Investitionsfragen im
Spektrum zwischen Arbeitsplatzschaffung, Versorgungsqualität der sozialen
Dienste, Sicherheit vor Alltagskriminalität, Wartelisten im öffentlichen
Gesundheitswesen und viele ähnliche Bereiche.
Mit Versprechungen war das Rechtsbündnis nicht sparsam. Auf
nationaler Ebene setzte man zeitgleich im Konflikt mit Brüssel einen höheren
Neuverschuldungshorizont um, der – zumindest in ersten Ansätzen – die
versprochenen neuen sozialen Großzügigkeiten finanzieren soll. Das in Deutschland gelegentlich als einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ vergleichbar
dargestellte Vorhaben, es ist nach Meinung vieler eher eine erweiterte
Sozialhilfeleistung, die es so bisher in Italien nicht gab, dürfte Erhebliches
kosten.
Italienische Politik gehorcht oft
anderen Gesetzen: Themen werden überraschend mal von diesen, mal von den
anderen besetzt. Gerade in der Verknüpfung aus bürgernahen und
alltagsorientierten Sozialthemen, wie Wartelisten oder Abdrängung in teure
Privatbehandlungsstrukturen, allgemeine Zukunftsangst, Gegenwartsverdruss und populistischen Botschaften der üblichen Art sehen Beobachter eine
durchaus kritische politische Masse.