
Bessere Rechtsetzung - ein zentrales Element der EU Politik
Die Kommission zieht Bilanz und erneuert ihr Engagement
SW – 05/2019
Die Europäische
Kommission hat im April 2019 eine Bilanz zu ihrer Agenda für eine bessere Rechtsetzung gezogen. Sie kommt zu dem
Schluss, dass die „Bessere Rechtsetzung“ ein integraler Bestandteil der
institutionellen Kultur der Kommission sei und auch auf breite Zustimmung bei
Interessenträgern stoße. Bei der Organisation der Verfahren der besseren
Rechtsetzung bestehe jedoch noch Spielraum für Verbesserungen.
Dies war auch
der Tenor der Rede des Ersten Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, anlässlich
der von der Kommission zum Thema durchgeführten Konferenz am 29. April. Problematisch
sei nicht, dass die EU Rechtsvorschriften erlasse, sondern deren Dichte und
Komplexität. Durch die Agenda für eine bessere Rechtsetzung seien Transparenz und
Effizienz der Gesetzgebung in der EU gestärkt worden. Mit ihren Verfahren,
Konsultationsmethoden und unabhängigen Kontrollorganen trage die Agenda zu
einer faktenbasierten Politikgestaltung bei.
Bedauernd hob
Vizepräsident Timmermans lediglich hervor, dass sich der Rat, das Europäische
Parlament und die Kommission bisher nicht darauf verständigen konnten, eine
Folgenabschätzung auch nach den interinstitutionellen Verhandlungen
vorzunehmen. Die Resultate der Verhandlungen wichen oft erheblich vom
ursprünglichen Vorschlag der Kommission, und damit auch von der auf diesem
Vorschlag beruhenden Folgenabschätzung, ab. Dies sollte von der nächsten Kommission
erneut aufgegriffen werden.
Umsetzung der Agenda im Zeitraum 2015 - 2018
Ein Blick auf
die Bilanz im Einzelnen scheint die Zustimmung der Interessenträger an einer Einbindung
in alle Phasen des Gesetzgebungsprozessen zu bestätigen. Die Kommission hat im
Zeitraum 2015 – 2018 417 öffentliche Konsultationen durchgeführt, davon bezogen
sich 303 auf neue Initiativen. Erhielt die Kommission zu ihren öffentlichen
Konsultationen im Jahr 2015 noch 461 Antworten im Durchschnitt, waren es 2018 bereits 2091. Weitere Feedback
Verfahren führte die Kommission zu delegierten Rechtsakten (151) und zu Fahrplänen
und Folgenabschätzungen in der Anfangsphase (691) durch. Sie hat ferner 259
Evaluierungen durchgeführt, um zu prüfen, ob die jeweilige Initiative zu den
erwarteten Ergebnissen geführt hat und beantwortete 89 Vorschläge, die ihr über
die REFIT-Plattform übermittelt wurden.
Um Fakten und
die von den Interessenträgern stammenden Informationen in Analysen zu
überführen, die der politischen Entscheidungsfindung der Kommission dienen und
Grundlage für fundierte Entscheidungen bilden sollen, hat die Kommission im
gleichen Zeitraum 218 Folgenabschätzungen zu Gesetzgebungsvorschlägen erstellt.
Der Ausschuss
für Regulierungskontrolle, der die Qualität der Folgenabschätzungen und
wichtigen Evaluierungen prüft und zur Verbesserung beider Maßnahmen beitragen
soll, hat im Jahr 2017 zu 43% der Folgenabschätzungen und zu 41% der
Evaluierungen eine negative Stellungnahme abgegeben. Im Jahr 2018 waren es nur
noch 28 % der geprüften Folgenabschätzungen und 27% der Evaluierungen, zu denen
eine negative Stellungnahme erfolgte.
Hintergrund
Um eine
Bestandsaufnahme zur Agenda für eine bessere Rechtsetzung durchzuführen und zu
bewerten, wie gut die von ihr eingesetzten Instrumente in der Praxis
funktionieren, hatte die Kommission Ende letzten Jahres eine öffentlichen
Konsultation der Interessenträger eingeleitet (siehe Bericht 11/2018). Die Spitzenorganisationen der
Deutschen Sozialversicherung hatten sich an der Konsultation beteiligt und auf die
Notwendigkeit eines angemessenen Konsultationszeitraums für eine fundierte
Politikberatung hingewiesen. Ferner wurde die Qualität der Fragebögen angesprochen,
bei deren inhaltlicher Ausgestaltung darauf geachtet werden solle,
unterschiedliche Punkte nicht so miteinander zu verknüpfen, dass individuelle
Einschätzungen einzelner Aspekte nicht möglich seien. Die Spitzenorganisationen
der Deutschen Sozialversicherung hatten sich ferner dafür ausgesprochen, dass
soziale und gesundheitliche Aspekte bereits bei der Vorlage neuer Gesetze
angemessen berücksichtigt werden sollten.
Reaktionen der Konferenz
Neben einer breiten
grundsätzlichen Zustimmung zur Agenda für bessere Rechtsetzung äußerten sich die
Interessenvertreter in der Konferenz auch zu kritischen Punkten. So wurde u.a. darauf
hingewiesen, dass Konsultationen nur dann erfolgen sollten, wenn die Kommission
tatsächlich auch offen für Feedback sei. Aufgeworfen wurde die Frage, ob
weniger mehr sei, d.h. ob sich die Kommission auf „bedeutsame“ Konsultationen
beschränken solle. Die Kommission solle eine echte Gelegenheit zum Engagement
schaffen. Die Bürger müssten davon überzeugt werden, dass es sich für sie
lohne, ihre Zeit zu investieren. Auch hier wurde die Qualität der Fragebögen thematisiert.
Im Hinblick auf eine faktenbasierte Politikgestaltung wurde darauf hingewiesen,
dass Konsultationen nicht zwingend Fakten, sondern zunächst Meinungen vermittelten.
Angesprochen wurde auch die Gewichtung der Konsultationsbeiträge und inwiefern
hier berücksichtigt werde, wie viele Interessen eine Organisation jeweils
vertrete.
Ein weiterer, interessanter
Punkt mit Blick auf eine zeitgerechte Gesetzgebung, insbesondere im Bereich technologischer
Innovationen, war die Frage der richtigen Gewichtung zwischen dem Erfordernis faktenbasierter
Gesetzgebung einerseits und andererseits der Notwendigkeit, zeitgerecht zu Ergebnissen zu
gelangen. Gerade in schnelllebigen Bereichen wie der Technologie
sei es schwierig, Gesetzgebung zukunftssicher zu machen. Als ein mögliches
Lösungskonzept wurden"Regulatory Sandboxes" diskutiert,
die es bestimmten Akteuren ermöglichen, eine Gesetzgebung vor ihrer formalen
Umsetzung zu testen und Rechtssicherheit dafür zu schaffen, dass diese funktionieren
kann. Um im digitalen Zeitalter gesetzgeberisch Schritt zu halten, müssten „Regulatory
Sandboxes“ als Mittel genutzt und ihre Ergebnisse in den Folgenabschätzungen
berücksichtigt werden.
Fazit
Sowohl in ihrer
Bilanz zur Agenda für eine bessere Rechtsetzung als auch in der Konferenz betont
die Kommission die Notwendigkeit gemeinsamer Bemühungen, damit durch bessere
Rechtsetzung optimale Ergebnisse erzielt werden. Eine bessere Rechtsetzung sollte
auch künftig eine Priorität bleiben. Die Kommission, so Vizepräsident
Timmermans, sei jedoch nicht der einzige Akteur: Das Parlament, der Rat, die
Mitgliedstaaten, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und alle
anderen Interessengruppen hätten alle eine Rolle zu spielen.