Die EU-Spitzenämter sind öffentlich heftig diskutiert worden – die Parlamentsausschüsse haben sich weitgehend geräuschlos aufgestellt.

UM – 07/2019

„Kindergarten“ ist wohl der bekannteste Germanismus. In der Europäischen Union hat ein weiteres Lehnwort gute Chancen, eine hohe Popularität zu erreichen: „Spitzenkandidat“. Auch wenn die Spitzenämter in der EU nach leidenschaftlicher Kontroverse nun besetzt sind – die Diskussion um den Auswahlprozess wird anhalten. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, selbst nicht Spitzenkandidatin, hat in ihrer Bewerbungsrede am 16. Juli angekündigt, das Wahlrecht reformieren zu wollen; nähere Informationen darüber finden Sie in unserer Meldung „Es lebe Europa – Vive l’Eu­rope – Long live Europe: Beset­zung der EU-Top Jobs abge­schlos­sen.“

Das Europäische Parlament (EP) ist am 2. Juli in Straßburg erstmalig in dieser 9. Legislaturperiode zusammengekommen und hat sich - sieht man von Provokationen einzelner politischer Gruppen wie der Brexit Partei ab – vergleichsweise unaufgeregt seine Arbeitsstruktur gegeben. Eine Woche später, am 10. Juli, haben sich die Parlamentsausschüsse konstituiert. Die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter sind mittlerweile bestimmt. Bis auf eine Ausnahme: Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) konnte sich in zwei Abstimmungen nicht auf die vorgeschlagene Beata Szydło von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) verständigen. Erst nach einer dritten Runde am 18. Juli ging der Vorsitz an ihre Fraktionskollegin Lucia Ďuriš Nicholsonová aus der Slowakei. 

Deutschland ist gut vertreten

Das EP hat 22 Ausschüsse. Themen, die die Sozialversicherung betreffen, werden vorwiegend im EMPL und im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) bewegt. Darüber hinaus sind aber auch die Beratungen in den Ausschüssen Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO), Wirtschaft und Währung (ECON), Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI), Recht (JURI) und Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) von Interesse. 46 von insgesamt 96 Mitgliedern des Europaparlaments (MdEP) aus Deutschland haben in diesen sieben Ausschüssen ihren Sitz gefunden. Die Deutschen sind somit gut vertreten.

Zum Vorsitzenden des mit 76 Abgeordneten größten Ausschusses, dem ENVI, ist ein Franzose gewählt geworden; Pascal Canfin von der Renew Europe Group - RE, sprich: den Liberalen. Zu Ausschussvorsitzenden sind auch gewählt worden: Lucy Nethsingha (RE, Großbritannien) für JURI, Petra De Sutter (Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz – Grüne/EFA, Belgien) für IMCO, Professor Juan Fernando López Aguilar(Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament – S&D, Spanien) für LIBE,  Roberto GUALTIERI (S&D, Italien) für ECON. AGRI-Vorsitzender ist ein bekanntes Gesicht geworden, Norbert Lins (Fraktion der Europäischen Volkspartei - EVP, Deutschland). Lins war in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied im ENVI und thematisierte dort insbesondere auch den starken Zusammenhang von antimikrobiellen Resistenzen bei Tieren und Menschen und die Notwendigkeit, sowohl in der Human- wie in der Veterinärmedizin, nach europäischen Lösungen zu suchen.

Politik-Prominenz hat Platz genommen

In den Ausschüssen, die von der deutschen Sozialversicherung intensiver begleitet werden, finden sich auch Politikerinnen und Politiker, die vormals in Deutschland wichtige Ämter bekleidet haben. Die ehemalige Justizministerin Katarina Barley (S & D) ist Mitglied im LIBE geworden. Sie trifft dort auf ein MdEP der etwas anderen Art, den fraktionslosen Satiriker Martin Sonneborn. Die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marianne Mortler (EVP), vertritt deutsche Interessen im Agrarausschuss (AGRI). Die Spitzenkandidatin der deutschen Linken, Özlem Alev Demirel, ist Gewerkschafterin und will nach eigenen Aussagen für soziale Verbesserungen streiten und sich für soziale Mindeststandards einsetzen. Sie kann dies ab sofort als neue Europaabgeordnete im EMPL tun.


Eine Liste aller Abgeordneten in den EP-Ausschüssen finden Sie hier.