Preisgestaltung für Arzneimittel im europäischen Verbund
Erwartungen an eine Transparenzoffensive der sozialen Sicherungssysteme.
RB – 07/2019
Bekannte Herausforderungen – neuer Ansatz im Verbund
Im Bereich der
Arzneimittel beschreiben steigende Ausgaben, die Suche nach Synergien bei der
Nutzenbewertung sowie die Entwicklung von Therapien zur Behandlung seltener
Erkrankungen wiederkehrende Herausforderungen der sozialen Sicherungssysteme.
Während
etablierte Kostenträger mit starken Patientenkollektiven in bevölkerungsreichen
Staaten die Preisverhandlungen mit Herstellern für Arzneimittel national
professionalisiert haben, bestehen für kleine Mitgliedsstaaten mit deutlich kleineren
Patientengruppen kaum Möglichkeiten, sich gegenüber pharmazeutischen
Herstellern zu positionieren. Daraus entsteht eine Abhängigkeit zu Referenzpreisen
und Nutzenbewertungen in Europa.
Um diesen
systematischen Abhängigkeiten und Herausforderungen zu begegnen, haben verschiedene
Mitgliedsstaaten staatenübergreifende Einkaufsverbunde gebildet, so zum Beispiel
die Valletta Gruppe oder BeNeLuxA.
Valletta Resolution zur Preistransparenz
Die Valletta Gruppe
beabsichtigt nun im Herbst 2019 die Unterzeichnung einer Resolution zur
Preistransparenz von Arzneimitteln ihrer Mitglieder. Eine Offenlegung der
Einzelpreise wird den zwischenstaatlichen Austausch ermöglichen, welcher
derzeit aufgrund vertraglicher Vertraulichkeitserklärungen mit den
pharmazeutischen Herstellern untersagt ist.
Neben den
Maßnahmen zur Preistransparenz möchte die Valletta Gruppe auf die
pharmazeutischen Hersteller zugehen, um Kooperationen im Bereich der Forschung
und Entwicklung zu etablieren. Es sind Gespräche zur Entwicklung von Ideen
vorgesehen, wie die Rahmenbedingungen zur Erforschung von Therapien seltener Erkrankungen
optimiert werden können. Als Reaktion zunehmender Antimikrobieller Resistenzen
(AMR), stehen Kooperationen zur Erforschung neuer Antibiotika derzeit im Fokus.
Siehe dazu auch den Beitrag „Der
Kampf geht weiter“.
Nationale Bedeutung
Eine
Zusammenarbeit im Bereich der Arzneimittel auf europäischer Ebene hat vielseitige nationale Mehrwerte. Zum Beispiel ist der Austausch von
Informationen zum Erhalt und Ausbau der Arzneimittelsicherheit sehr sinnvoll
und wird laufend weiterentwickelt. Auch im Bereich
der Forschungsförderung schafft die EU Mehrwerte für ihre Mitgliedsstaaten. Die
EU steht im Bereich der Pharmaforschung insbesondere im Wettbewerb mit den USA.
Eine zielgerichtete Verteilung von EU-Forschungsgeldern setzt Anreize zur
Erforschung von Therapien seltener Erkrankungen.
Auch im Bereich der
HTA kann unter bestimmten Voraussetzungen die gemeinsame Erarbeitung von Standards und Methoden eine
Bereicherung für die Mitgliedsstaaten sein (vgl. hierzu die News aus 04/2018).
Von der Bewertung des Zusatznutzens auf europäischer Ebene ist die Erstattung- und
Preisfindungsentscheidung auf nationaler Ebene zu trennen. Denn letztere
unterliegen der nationalen Kompetenz. Die Teilnahme an einem Einkaufsverbund wie der Valletta Gruppe und BeNeLuxA ist
somit freiwillig und muss im Einklang mit den nationalen Kompetenzen der
sozialen Sicherung stehen.
Deutschland ist keiner
dieser Einkaufsverbünde angeschlossen. Dies ist einer besonderen Situation
geschuldet, dass der starke Selbstverwaltungsgedanke die Kostenträger in die
Verantwortung nimmt, die Finanzierbarkeit der Versorgung nachhaltig zu sichern.
Nationale Kostenträger nutzen die Gestaltungsräume durch eigenständiges Horizon
Scanning neuer Arzneimittel und der Nachfrageanalyse des Versichertenkollektivs,
um Steuerungsmöglichkeiten in Preisverhandlung umzusetzen.
Die Feststellung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel ist in Deutschland durch
das AMNOG etabliert.
Hintergrundinformationen
Valletta Declaration
Die Valletta Declaration ist Einkaufsverbund aus derzeit zehn Mitgliedsstaaten (Malta, Portugal,
Spanien, Italien, Zypern, Griechenland, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Irland) mit
ca. 160 Mio. Einwohnern. Dies entspricht 31,5 Prozent der EU-Bevölkerung.
Ziele: Gemeinsame Preisstrategie, Horizon Scanning sowie die Offenlegung
und Beteiligung an Forschungs- und Entwicklungskosten. Die Valletta Gruppe
versteht sich als Stakeholder an der Erforschung neuer Therapien seltener
Erkrankungen und beabsichtigt dadurch langfristig günstige Preise bei neuen
Arzneimitteln zu erzielen.
BeNeLuxA:
BeNeLuxA ist ein Einkaufsverbund
bestehend aus Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und Irland (seit
2018).
Ziele: Horizon Scanning, gemeinsame HTA (Health Technology Assessment),
Informationsaustausch, gemeinsame Preisverhandlungen.