
Apotheken-Boni droht Aus
Mit einem Kunstgriff versucht der deutsche Gesundheitsminister für einheitliche Preise bei verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zu sorgen.
UM – 08/2019
Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn will seine
heimischen Apotheken schützen und ausländischen Versandapotheken das Leben
schwer machen. Mit dem Gesetz
zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken soll bewirkt werden, dass die
Apothekenpreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel weiterhin nicht
freigegeben werden. In der Folge sollen im Ausland ansässige Versandapotheken
ihren deutschen Kunden keine Boni oder Rabatte gewähren dürfen. Der
Gesetzentwurf ist der Europäischen Kommission „informell“ zur
wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zugeleitet worden. Deren Stellungnahme solle
berücksichtigt werden. Welche Haltung die Kommission einnehmen wird, ist noch
offen.
Feste Preise wirken wie Einfuhrbeschränkungen
Der Entwurf des Vor-Ort-Apothekengesetzes sieht vor, das
Diktum gleicher Apothekenabgabepreise in das Sozialrecht zu verlagern. Mit
diesem Schritt soll auf ein seit dem Jahr 2013 laufendes EU-Vertragsverletzungsverfahren
(Nr. 2013/4075) und einem zwischenzeitlich im Rahmen eines
Vorabentscheidungsverfahrens erfolgten Urteil des Europäischen Gerichtshofes
(EuGH) aus dem Oktober 2016 abschließend reagiert werden (Urteil C-148/15 vom
19. Oktober 2016, Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung). Das Urteil besagte,
dass die Bindung von im Ausland befindlichen Versandapotheken an einheitliche Abgabepreise wie eine
mengenmäßige Einfuhrbeschränkung zu werten sei und damit dem freien
Warenverkehr zuwiderlaufe. Spahns Kunstgriff besteht darin, die Anwendung der
Arzneimittelpreisverordnung, die einen garantierten einheitlichen
Apothekenpreis vorsieht, aufzuheben und gleichzeitig eine Regelung mit
vergleichbarer Wirkung im Sozialgesetzbuch V zu implementieren. Das Boni- und
Rabattverbot bestünde dann weiterhin.
Europarechtlich fragwürdig
Schon der EuGH vermochte nicht zu erkennen, dass die
Anwendbarkeit des deutschen Festpreismechanismus auf ausländische Apotheken
notwendig ist. Im Gegenteil: Die Verpflichtung zu Festpreisen verstoße gegen
Artikel 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), da
sie sich auf die Abgabe von Arzneimitteln durch in anderen Mitgliedstaaten
ansässige Apotheken über den Versandweg benachteiligend auswirke. Für diese sei das Internet eine wichtigere Möglichkeit
des direkten Zugangs zum deutschen Markt, der Preiswettbewerb könne deshalb für
Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle
Apotheken. Es ist folglich schwer vorstellbar, dass Spahns Vorschlag aus dem Entwurf des
Vor-Ort-Apothekengesetzes auf eine befürwortende Kommentierung seitens der
Kommission bauen kann. Schließlich ist der Regelungsvorschlag unter
europarechtlichen Gesichtspunkten vergleichbar mit der Regelung, die der EuGH im
Oktober 2016 als Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit interpretiert hat.
Bedenken auch in Deutschland
Bedenken gibt es auch im Kabinett Merkel. Sowohl das Justiz- als
auch das für die europäische Koordination maßgebliche Wirtschaftsressort haben
dem Gesetzentwurf aus dem BMG „spürbare europarechtliche Risiken“ attestiert.
Die Antwort darauf, warum der Entwurf dennoch vom Bundeskabinett am 17. Juli
2019 beschlossen worden ist, muss folglich „im Politischen“ liegen.
GKV für Wettbewerb und moderne Versorgung
Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland (GKV) hat
sich in dieser Frage klar positioniert. Selbst im Wettbewerb stehend befürwortet
sie einen Wettbewerb auf der Seite der Leistungserbringung, der für eine gute
und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und Patienten führt. Dies sei
zeitgemäß. Das Umsatzvolumen, dass über Versandapotheken im Ausland generiert
würde sei überschaubar und rechtfertige ebenfalls keine
wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen. Zudem würden für die Versandapotheken die
gleichen Qualitätsanforderungen gelten wie für eine Offizin-Apotheke. Es gäbe
keinerlei Hinweise, dass diese nicht erfüllt würden.