Spanien setzt mit seiner Rechtsprechung Zeichen.

RD – 09/2019

Die Problematik, ob Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeiter den abhängig Beschäftigten oder den selbstständig Tätigen zuzuordnen sind, ist im europaweiten Kontext bekannt. Der Zugang zur Sozialversicherung mit seinen dazugehörigen Schutzrechten eröffnet sich in den meisten Mitgliedstaaten nur mit Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

Einige spanische Untergerichte haben jüngst in drei Fällen den Status der betroffenen Deliveroo Fahrer verhandelt und diese als Beschäftigte eingestuft. Die Richter erörterten das Verhältnis der Plattform zu diesen Fahrern und deren rechtlichen Status. Es sei nicht immer eindeutig zu identifizieren, ob ein Fahrer abhängig oder selbstständig tätig sei.

Besonderen Wert legten die Gerichte auf die Merkmale der Organisation und Zeiteinteilung. Obwohl die Fahrer mit ihrem Einsatz eine persönliche Dienstleistung erbringen, wird der Vorgabe von Zeitfenstern sowie der ständigen Kontrolle über die Fahrer, z. B. mittels Protokolle oder Ortsverfolgung, ein starker organisatorischer Charakter zugesprochen, der maßgebend für die Weisungsgebundenheit ist.

Und obwohl nicht alle Merkmale offensichtlich für eine abhängige Beschäftigung sprechen, haben die Gerichte, abweichend von früheren Entscheidungen, einzelnen Merkmalen mehr Gewichtung zugesprochen und somit die erwerbstätigen Fahrer begünstigt, indem sie sie als Arbeitnehmer beurteilt haben.

Das erste Urteil, das im Juni vom Sozialgericht Barcelona erlassen wurde, ist die erste Sammelklage gegen die Online-Plattform in Spanien. Der Richter erklärte die zehn Deliveroo-Fahrer für Scheinselbstständige und gelangte zu dem Schluss, dass die Fahrer keine Autonomie besaßen und daher als „Arbeitnehmer“ zu betrachten seien.

Die beiden anderen Fälle betrafen eine Klage der spanischen Sozialversicherungsbehörde gegen Deliveroo Roofoods Spain S.L. Auch hier entschied der Richter zugunsten der spanischen Sozialversicherungsbehörde u. a. mit der Begründung, dass das Arbeitsmittel die digitale Plattform an sich und nicht etwa das Smartphone und Fahrrad sei. Bei der Prüfung der Weisungsgebundenheit wird gerade dem Kriterium des Arbeitsmittels ein hoher Stellenwert zugesprochen.

Das Gericht betonte, dass es die Plattform sei, die Angebot und Nachfrage in Einklang bringe und auf der sich Restaurants, Verbraucher und Fahrer registrierten. Dieser technische Support stelle die Quelle des Erfolgs der Marke Deliveroo dar. Damit sei das Unternehmen der alleinige Inhaber, der für die Verwaltung des Geschäftssystems die erforderlichen Informationen bereitstelle, und die Fahrer nach Annahme eines Auftrags keine Autonomie mehr hätten.

Die Richter scheinen bei ihren Entscheidungen ihr Augenmerk auf die traditionelle Auslegung des Beschäftigtenbegriffs gelegt und diese zeitgemäß auf die moderne Arbeitswelt angewandt zu haben.