
HTA in der neunten Parlamentsperiode
Erwartungen an Ratspräsidentschaft und neuen Berichterstatter.
RB – 09/2019
Die
Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment – HTA)
dient nationalen Systemen, begrenzte Ressourcen effizient in Richtung
effektiver Gesundheitsleistungen zu verteilen.
In
sog. Joint Actions wurden in drei aufeinander folgenden Projektzeiträumen unter
dem Namen „EUnetHTA“ der wissenschaftliche Austausch gefördert, eine Methode für
gemeinsame HTA-Verfahren entwickelt und erste gemeinsame HTA Berichte erstellt.
Nach
EU-Recht ist eine Weiterfinanzierung von EUnetHTA nach Ablauf des aktuellen fünfjährigen Finanz-Rahmenplans, der 2020 endet, schwierig. Die
Europäische Kommission hat daher am 31. Januar 2018 dem Europäischen Parlament und
dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung über die klinische Bewertung von
Gesundheitstechnologien vorgelegt. Nachzulesen in der Ausgabe 10/2018.
Verbände fordern mehr Mitsprache
Die Europäische Kommission begründet die Vorlage ihres Vorschlages
darin, dass mit EUnetHTA die positiven Effekte eines professionellen
Netzwerks, Kooperationen in der Weiterentwicklung der klinischen
Bewertungsmethoden und gemeinsame HTA-Verfahren einzig auf freiwilliger Basis,
projektbezogen und im Ergebnis ungenügend umgesetzt werden konnten. Mit Hilfe
der Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien möchte die Europäische Kommission die EU-weite Harmonisierung bestehender
nationaler HTA-Verfahren erreichen.
Artikel 8 des Entwurfs verbietet den Mitgliedstaaten zukünftig die
Durchführung klinischer Bewertungen für Technologien, für die eine gemeinsame
HTA-Bewertung vorgesehen oder bereits erfolgt ist („Liste“ lt. Artikel 7). Die
Verwendung der gemeinsamen HTA-Bewertung ist für diese Technologien
verpflichtend, ebenso eine Meldung über die Ergebnisse einer nationalen
Bewertung basierend auf einer gemeinsamen HTA-Bewertung.
Die deutsche gesetzliche Krankenversicherung begrüßt grundsätzlich die im Entwurf vorgesehene Konsolidierung
der Zusammenarbeit der HTA-Behörden. Hinsichtlich des vorgesehenen nationalen
Verbots zur Durchführung klinischer Bewertungen für Technologien lehnt die deutsche gesetzliche Krankenversicherung den Entwurf allerdings entschieden ab. Maßgeblich ist u.a., dass aufgrund
bestehender Unterschiede in den nationalen Gesundheitssystemen deutliche
Unterschiede bestehen können, welche Therapien als Standard und damit als Basis
eines Vergleichs angesehen werden. Eine Bewertung gegenüber dem im konkreten
Umfeld unpassenden Komparator ist unbrauchbar. Eine Verpflichtung und ein
Verbot zur Ergänzung sind kontraproduktiv und unnötig.
Die europäischen Verbände (ESIP, AIM, BEUC) begrüßen den Vorschlag einer
gemeinsamen Bewertungsmethode auf europäischer Ebene. Sie betonen jedoch, dass
ein einheitliches Verfahren die Qualität und Sicherheit der Versorgung nicht
gefährden darf und fordern mehr Mitsprache der nationalen Entscheidungsträger
in der Entwicklung des Bewertungsverfahrens.
Eine gemeinsame Positionierung der pharmazeutischen Industrie begrüßt den
Vorschlag und bekräftigt die Debatte für eine gemeinsame Methode.
Neuer Berichterstatter ernannt
Bezüglich des Vorhabens der Europäischen Kommission zur
Weiterentwicklung der Bewertungsverfahren auf europäischer Ebene unterstützt
der GKV-Spitzenverband den Vorschlag. Jedoch muss eine Trennung zwischen der
Bewertung (assessment) auf europäischer Ebene und der Entscheidung (appraisal) auf
nationaler Ebene klar erkennbar sein. Auch bedarf es der Möglichkeit,
ergänzende Bewertungen aufgrund nationaler Besonderheiten vornehmen zu können.
Das Europäische Parlament hatte sich bereits im Oktober 2018 auf eine
gemeinsame Position verständigt, mit dem Ziel, eine deutlich verbindlichere
europäische HTA-Zusammenarbeit zu schaffen aber gleichzeitig mehr Rücksicht auf
die Bedarfe der nationalen Gesundheitssysteme zu nehmen und damit mehr Freiheit
bei der Nutzung gemeinsamer Bewertungsberichte einzuräumen.
Diese argumentative Linie wird auch nach wie vor vom neu ernannten
Berichterstatter des HTA-Dossiers im Europäischen Parlament, Tiemo Wölken
(S&D, DE) sowie von Peter Liese (EVP, DE), Koordinator und
Fraktionssprecher im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments,
getragen.
Die Europäische Kommission und der Rat haben sich hierzu bisher nicht
positioniert.
Wie geht es weiter?
Finnland führt das Dossier
während seiner Ratspräsidentschaft weiter. Kernelemente der anstehenden Verhandlungen werden der Rechtsweg, die Rechtsverbindlichkeit sowie die Methode der Aufnahme der Gesundheitstechnologien in die „Liste“ sein. Noch ist unklar, welche
Schwerpunkte die kommende kroatische Ratspräsidentschaft bezüglich des Dossiers setzen
wird.