„Technostress“ am Arbeitsplatz
Psychische Gesundheit im digitalen Zeitalter.
SW – 02/2020
Neue
Arbeitsweisen können sowohl die Arbeitsbelastung als auch den Stress am
Arbeitsplatz beeinflussen. Die stete Erreichbarkeit verleiht dem „Technostress“
eine neue Dimension, indem sie dessen Auswirkungen „verlängert“, was sich
nachteilig auf den Einzelnen und die Gesellschaft auswirkt. Zu diesem Ergebnis
kommt ein im Auftrag des Ausschusses „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“
des Europäischen Parlamentes erstellter Bericht zum Thema „The mental health of workers
in the digital era“ von Januar 2020 (liegt nur in Englisch vor).
Dem Bericht
liegt eine Literaturrecherche über 22 Studien zugrunde, die nachteilige
psychosoziale oder mentale Auswirkungen im Zusammenhang mit der Einführung
digitaler Technologien im beruflichen Umfeld untersuchen. Die Ergebnisse des
Berichts seien jedoch nur indikativ und würden keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben.
Die Arbeit mit
neuen Technologien könne eine ganze Reihe nachteiliger Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, und auf die Gesellschaft im Allgemeinen hervorrufen. So
könnten neue Technologien zu beruflichem Stress, psychischer Überlastung und
Müdigkeit bis hin zum Burnout beitragen. Die durch ihre intrusiven
Eigenschaften charakterisierten neuen Technologien könnten Phänomene wie
Isolation, Sucht, Schlafentzug, emotionale Erschöpfung und Angst verschlimmern
und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Darüber hinaus bestehe das
Risiko einer Verwischung der Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben. Eine
ausgewogene „Work-Life-Balance“ sei in den untersuchten Studien der am zweithäufigsten
erwähnte psychosoziale Effekt.
Viele arbeitsbedingte
Erkrankungen hätten Ursachen sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld
und seien nicht ausschließlich auf die Arbeitssituation zurückzuführen. So
würden die beiden häufigsten arbeitsbedingten Erkrankungen, nämlich die
Erkrankungen des Bewegungsapparates und Erkrankungen, die mit psychosozialen
Risiken verbunden sind, häufig von Faktoren im beruflichen und privaten Umfeld
beeinflusst. Dies negiere jedoch nicht die Pflicht der Arbeitgeber, relevante
Risiken, die sich am Arbeitsplatz oder aus Arbeitspraktiken ergeben, zu
minimieren.
Ausdrücklich
wird im Bericht jedoch darauf hingewiesen, dass neue Technologien nicht von
Natur aus schädlich sind, sondern die Art und Weise, wie sie verwendet werden.
So sei die Möglichkeit, E-Mails auf einem Smartphone außerhalb der Arbeitszeit
zu lesen, selbst nicht schädlich. Die Erwartung, dass ein Mitarbeiter dies tut,
könne es aber sein. Hieran müsse angesetzt werden. In vielen Fällen könne den
negativen Auswirkungen durch geeignete organisatorische Maßnahmen und
erforderlichenfalls deren Kontrolle entgegengewirkt werden. Der für Beschäftigung
und soziale Rechte zuständige EU-Kommissar Nicolas Schmit hat in einer Debatte
des Europäischen Parlamentes zum Thema „A social Europa in a digital world“
darauf hingewiesen, dass in einer Welt, in der neue Technologien die Grenze
zwischen Arbeits- und Privatleben verwischen und psychischen
Gesundheitsprobleme verursachen, das Recht, abzuschalten und nicht online zu
sein, von wesentlicher Bedeutung sei.
Position des Rates
Der Rat hatte
in seinen Schlussfolgerungen vom Dezember 2019 zu einer neuen Arbeitsschutzstrategie
der EU ebenfalls darauf hingewiesen, dass psychosoziale Risiken und Stress bei
der Arbeit zu den größten und dringlichsten Herausforderungen im Bereich
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gehören. Die EU-Kommission wird
aufgefordert, eine Strategie für psychische Gesundheit in der EU vorzuschlagen und
dabei die bereichsübergreifenden Auswirkungen verschiedener Politiken zur
Förderung der psychischen Gesundheit, einschließlich der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, zu berücksichtigen. Die Kommission hat
weder in ihrer Mitteilung „Ein starkes Europa für einen gerechten Übergang“,
noch in ihrem Arbeitsprogram für das Jahr 2020 einen konkreten Zeitrahmen für
die Vorlage des neuen strategischen Rahmens der EU für Gesundheit und
Sicherheit am Arbeitsplatz 2021 – 2027 oder der vom Rat geforderten
EU-Strategie für psychische Gesundheit gegeben (siehe Bericht 01/2020).