Digitale Kontaktnachverfolgung mit Tracing Apps
Leitlinien stärken Datenschutz und Persönlichkeitsrechte.
RB – 05/2020
Der parlamentarische Ausschuss
für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) diskutierte am 7. Mai die
Nutzung und den Schutz persönlicher Daten im Kampf gegen die Verbreitung des Corona
Virus. An dem virtuell durchgeführten Austausch waren die Vorsitzende des Europäischen
Datenschutzausschusses (EDSA), Andrea Jelinek, und der Europäische
Datenschutzbeauftragte (EDSB), Wojciech Wiewiórowski, vertreten.
Moralische Verpflichtungen und digitale Solidarität
Aktuell werden auf europäischer
und nationaler Ebene unterschiedliche Wege diskutiert, wie verfügbare Daten und
Technologie bei der Eindämmung von COVID-19 unterstützen können. Der Europäische
Datenschutzbeauftrage appellierte deswegen an die moralische
Verpflichtung, zur Verfügung stehende technische Möglichkeiten zu nutzen.
Gleichzeitig bestünde aber die Verantwortung, Eingriffe in
Persönlichkeitsrechte und persönliche Freiheiten zu minimieren und das Recht
des persönlichen Datenschutzes zu wahren.
Während einzelne Apps reinen Informationscharakter haben, dienen andere, mit
Hilfe der Nutzung von Geo-Daten, bei der Beobachtung des Verbreitungsverlaufes
des Virus. Apps, welche infizierte Personen lokalisieren können, existieren in
der EU bislang nicht. Hauptanwendungsfeld in der EU sind derzeit digitale Anwendungen,
welche dem App-Nutzer eine, aus einem Kontakt resultierende mögliche Infektion,
anhand definierter Parameter (Abstand, Zeit), anzeigt. Sogenannte „Immunitätspässe“ oder
„grüne Kodes“, welche gegenüber Dritten die Virusimmunität nachweisen könnten,
werden vom EDSB mit größter Vorsicht untersucht. Aus diesem Anlass hat der EDSB
die erste
Ausgabe des TechDispatch veröffentlicht, welche sich dem Thema der
digitalen Kontaktnachverfolgung widmet.
Tracing Apps sicher im strategischen Gesamtkonzept etablieren
Zur Vermeidung neuer Infektionswellen,
sehen viele EU-Mitgliedstaaten die Entwicklung und den Einsatz von Tracing Apps
vor. Die Vorsitzende des Europäischen Datenschutzausschusses unterstrich, dass
diese Apps die Lockerungen nationaler Kontaktbeschränkungen lediglich als
Teilaspekt einer Gesamtstrategie unterstützen können. Wichtig sei, dass durch eine
freiwillige Nutzung das notwendige Vertrauen in die Anwendung hergestellt
werden kann. Ohne die Sicherstellung eines geschützten Umgangs mit persönlichen
Daten, wird sich die Nutzung von Tracing Apps nicht durchsetzen.
Die durchgängige Anwendung der
EU-Datenschutzgrundverordnung ist eine Kernaufgabe des
EU-Datenschutzausschusses. Aus aktuellem Anlass hat der EDSA Leitlinien zur Entwicklung von Tracing Apps und zur Nutzung von Geo-Daten verabschiedet.
Die Leitlinien verweisen insbesondere auf die Anwendung der geltenden EU-Datenschutzverordnung und Datenschutzrichtlinie
für elektronische Kommunikation. Darüber hinaus wird in den Leitlinien auf
folgende, bei der Entwicklung von Tracing Apps zu berücksichtigende, Aspekte hingewiesen:
- Die allgemeinen Prinzipien der Effektivität,
Notwendigkeit und Proportionalität der verarbeiteten persönlichen Daten muss
gegeben sein.
- Die Nutzung der Apps muss vollkommen freiwillig
sein. Eine individuelle Entscheidung die App nicht zu nutzen, darf zu keinen
Nachteilen führen.
- Individuen müssen jederzeit Zugriff auf ihre
Daten haben und diese löschen können.
- Die Nutzung und Verarbeitung der Daten muss
transparent sein. Dies umfasst auch die Definition von Limitierungen der
Datennutzung.
- Zur Vermeidung falschpositiver oder
falschnegativer Ereignisse müssen verwendete Algorithmen streng überwacht
werden.
- Quellcodes der Algorithmen sollten einem
möglichst weiten wissenschaftlichen Kreis öffentlich zugänglich gemacht werden.
- Ortungsdaten sind zum Zweck der
Kontaktnachverfolgung ausdrücklich nicht notwendig.
Die Leitlinien zeigen, dass sich
Datenschutz und Gesundheitsschutz nicht ausschließen. Eine flexible und
effiziente Anwendung der EU-Datenschutzgrundverordnung auf sich ändernde
Rahmenbedingungen ermöglicht es, die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz,
auch in der Bewältigung der COVID-19-Pandemie, zu wahren.