Studie zu den besonderen Gefährdungslagen

JS – 06/2020

Die COVID-19-Pandemie hat uns sichtbar vor Augen geführt, wie sehr wir auf Arbeitskräfte in den systemrelevanten Bereichen wie Pflege, Gesundheit, Reinigung und Lebensmittel angewiesen sind. Eine große Anzahl dieser Arbeitskräfte sind Menschen aus dem EU-Ausland sowie aus Drittstaaten. In den Bereichen Reinigung und Aushilfe machen diese Menschen 38% der Arbeitskräfte in der EU aus, in der Pflege 19%.

Auch langfristig benötigen wir diese Menschen als Beitragszahlende in die Sozialsysteme in unserer überalternden Gesellschaft (vergleiche unser Bericht hier).

Trotz dieser aktuellen und langfristigen Notwendigkeit ist die Situation für ausländische Arbeitskräften schwierig. Die COVID-19-Pandemie hat die Lage noch verschärft, wie eine im Juni 2020 veröffentlichte Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Center) der EU-Kommission analysiert.

Ein Bündel an Gründen für die prekäre Situation

Die Studie legt dar, dass die besondere Vulnerabilität dieser Arbeitskräfte aus einer Kombination mehrerer Faktoren resultiert:

Sie haben im Verhältnis zu einheimischen Arbeitskräften eher befristete Verträge: Bei den systemrelevanten Arbeitskräften haben EU-Ausländer eine 16% und Nicht-EU-Ausländer eine 48% höhere Wahrscheinlichkeit, nur befristet angestellt zu sein. Diese befristeten Verträge werden in Krisenzeiten oftmals nicht verlängert. Für sie besteht daher eine höhere Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden.

Sie erhalten im Vergleich zu Einheimischen einen geringeren Lohn. Mehr als die Hälfte der ausländischen Arbeitskräfte fallen unter die untersten vier Einkommensdezile. Hierdurch können sie weniger Rücklagen ansparen, auf die sie in der Krisenzeit zurückgreifen könnten.

Weiter sind sie überwiegend in Bereichen beschäftigt, in denen keine Telearbeit möglich ist. Sie sind daher einem zusätzlichen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, mit teilweise nur bedingtem Zugang zu Gesundheitsleistungen.  

Für Menschen mit befristeten Aufenthaltserlaubnissen gefährdet die Situation auch die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Mangels Verlängerung des Visums müssen ausländische Arbeitskräfte zurückkehren oder sich illegal im Land aufhalten – ohne Zugang zu Sozialleistungen.

Wie kann dieser Situation begegnet werden?

Die Studie fordert politische Maßnahmen. Bezüglich der Befristung von Arbeitsverträgen könnten Verlängerungsanreize für Arbeitgebenden geschaffen werden, etwa durch Steuerbegünstigungen oder Subventionen. Entsprechende Sozialleistungen könnten erweitert oder für ausländische Arbeitskräfte geschaffen werden, um der Problematik der Niedriglöhne zu begegnen. Schließlich schlägt die Studie vor, den Menschen – zumindest temporär – vollumfänglichen Zugang zu Gesundheitsleistungen zu gewähren.

Die COVID-19-Pandemie hat verdeutlicht: die Situation von ausländischen Arbeitskräften muss verbessert werden – weil wir sie kurz- und langfristig brauchen. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen hierfür umgesetzt werden.