Auch Plattformen außerhalb der EU werden in die Pflicht genommen.

Dr. S-W – 09/2020

Die EU-Kommission arbeitet an einer Änderung der Richtlinie 2011/16/EU, welche die Zusammenarbeit der nationalen Verwaltungen auf dem Gebiet des Steuerrechts regelt. Diese Richtlinie sieht unter anderem den automatischen Austausch von Daten über Einkommen aus Beschäftigung, Renten und Immobilien vor.  Seit dem Inkrafttreten der Richtlinie hat sich das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld durch ihre digitale Durchdringung allerdings grundlegend gewandelt. Vor allem die digitale Plattformwirtschaft erschwert die Nachverfolgung und Aufdeckung besteuerbarer Vorgänge, zumal diese oft grenzüberschreitend stattfinden. Deshalb fehlt den Steuerbehörden oft das Wissen um Einkünfte, die mittels Plattformen durch den Verkauf von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen erzielt werden. Auch vorangegangene Konsultationen hätten den Eindruck eines „Underreporting“ bestätigt. Mit dem Ziel einer fairen Besteuerung ergreift die Kommission nun Schritte zur Ausweitung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden – mit dem Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der RL 2011/16/EU, COM(2020) 314 final vom 15. 7. 2020. Er baut auf Strategien der OECD auf.

Ein harmonisierter Rahmen für ein EU-weites Berichtssystem soll sicherstellen, dass die Steuerbehörden Zugang zu allen relevanten Einkommen erhalten – und zwar auch dann, wenn der Plattformbetreiber seinen Sitz außerhalb der EU hat. Zu diesem Zweck wird jeder Mitgliedstaat eine „zentrale Anlaufstelle für Registrierung und Meldung“ einrichten bzw. zur Verfügung stellen. Der Plattformbetreiber muss nur an eine dieser Stellen liefern, die dann die Daten an die zuständigen Behörden weiterleiten. Auf diese Weise werden Doppelmeldungen vermieden und der bürokratische Aufwand der Plattformen minimiert. Auch Plattformbetreiber aus einem Drittstaat müssen sich in einem EU-Land (ihrer Wahl) registrieren. Die Plattformnutzer, die hierüber ein möglicherweise steuerpflichtiges Einkommen erwirtschaften, werden anhand ihrer Adresse (Hauptwohnsitz in der EU), ihrer Steuer- oder ihrer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer identifiziert.

Die Einmalkosten, die allen Beteiligten (Behörden, Plattformen) durch die Einführung entstehen, schätzt die Kommission auf mehrere hundert Millionen EUR, die laufenden Kosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr.  

Die gewonnenen Daten sollen nicht nur für Zwecke der direkten Besteuerung genutzt werden können, sondern auch der indirekten (Mehrwert-) Besteuerung. Die Nutzung für Zwecke der Sozialversicherung ist allerdings explizit ausgenommen. Nach Art. 2 galt die Richtlinie von Anfang an nicht für Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, allein schon wegen der gewählten Rechtsgrundlagen (Art. 113 und 115 AEUV). Daran wird sich auch durch die geplante Ergänzung nichts ändern. Allerdings weist das Kommissions-Vorhaben den richtigen Weg: die Inpflichtnahme elektronischer Plattformen für die die Übermittlung von Einkommensdaten von Plattformarbeitern. Vor allem macht das Projekt deutlich, dass die bekannten Hindernisse bei einer Verpflichtung von Plattformen mit Sitz in einem außereuropäischen Staat nicht unüberwindlich sind. Jetzt bleibt zu hoffen, dass Expertenvorschläge zur Einrichtung eines „Digital Single Window“ weiterverfolgt werden. Dieses gemeinsame digitale Meldesystem wurde ausdrücklich auch zur Durchsetzung von Sozialabgaben-Pflichten konzipiert.