Keine explizite Forderung verbindlicher Standards

Dr. S-W – 10/2020

Einen sperrigen Titel hat der Rat gewählt, um das Fundament für eine Art europäische Grundsicherung zu legen: „Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus“.

Dabei geht es nicht um ein europäisches System im engeren Sinne mit eigener Verwaltung und eigenem Haushalt. Die Mindestsicherung wird vielmehr als „Teil des gesamten nationalen Sozialsystems“ betrachtet. Im europäischen Diskurs geht es um die Umsetzung des Grundsatzes Nr. 14 der Europäischen Säule sozialer Rechte. Sie trägt den Titel „Mindesteinkommen“, geht jedoch darüber hinaus:

„Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat in jedem Lebensabschnitt Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen, und einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen. Für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sollten Mindesteinkommensleistungen mit Anreizen zur (Wieder-) eingliederung in den Arbeitsmarkt kombiniert werden.“

Dies übersetzt der Rat mit „Garantien für einen sozialen Basisschutz für Menschen, die keine Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, etwa durch nationale Sozialhilfeleistungen oder Mindestsicherungsregeln“. Zwar gebe es hierfür bereits einen europäischen Rahmen. Es seien aber weitere Maßnahmen  erforderlich. Daher wird die Europäische Kommission ersucht, eine Aktualisierung des Unionsrahmens einzuleiten, um die Politik der Mitgliedstaaten zur nationalen Mindestsicherung „zu unterstützen und zu ergänzen“.

In der englischen Fassung ist hier von „Mindesteinkommen“ die Rede. Konkreter wird der Rat an dieser Stelle nicht. Insbesondere äußert er sich nicht zur Frage, ob dieser Rahmen rechtlich bindend sein soll. Hierzu gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen.

Soweit der Rat konkreter wird, fordert er vor allem mehr vergleichende Beobachtungen der Mitgliedstaaten, etwa durch ein „Benchmarking“ unter Einbeziehung des Ausschusses für Sozialschutz. 

Auch die Frage des Niveaus der Mindestsicherung ist eher allgemein umschrieben: es solle „angemessen“ sein und dem jeweiligen Lebensstandard, Preisniveau und/oder nationalen Armutsgrenzen Rechnung tragen.

Abschließend fordert der Rat eine gezielte Unterstützung aus EU-Fonds zur sozialen Inklusion und Armutsbekämpfung.

Die Ratsschlussfolgerungen sind hier zugänglich.