EU-Kommission legt Arzneimittelstrategie vor
Eine starke europäische Industrie soll künftig Arzneimittel produzieren, die dringend gebraucht werden. Diese sollen bezahlbar und überall in Europa verfügbar sein.
UM – 12/2020
Die EU-Kommission hat am 25. November 2020 ihre Arzneimittelstrategie veröffentlicht und so dem Grundgerüst einer Europäischen Gesundheitsunion (siehe dazu auch DSV-Beitrag „Auf dem Weg zur Gesundheitsunion“, November 2020) einen weiteren Baustein hinzugefügt. Über ein breitgefächertes Bündel an Vorschlägen soll
1. der Zugang zu bedarfsnotwendigen, innovativen und bezahlbaren Arzneimitteln gefördert,
2. die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie gestärkt,
3. die strategische Autonomie der EU weiterentwickelt und
4. weltweit auf einheitlichere Standards und gleiche Wettbewerbsbedingungen hingewirkt werden.
Bis Ende des Jahres 2022 soll dazu unter anderem auch die europäische Arzneimittelgesetzgebung grundsätzlich überarbeitet und angepasst werden.
Ungedeckte Bedarfe
Die EU-Kommission stellt fest, dass die Industrie heute nicht immer in die Entwicklung von Arzneimitteln investiert, die vordringlich gebraucht werden. Ungedeckte Bedarfe fänden sich insbesondere im Bereich der seltenen Erkrankungen und der Therapie von Kindern, aber auch bei antimikrobiellen Arzneimitteln. Die Nachfrage nach bestimmten Medikamenten würde zuweilen auch aufgrund von strategischen Unternehmensentscheidungen der Pharmaindustrie nicht gedeckt. Für die Gesundheitssysteme in einigen Ländern seien die Preise zudem zu hoch.
Innovationsklima verbessern
Auf den Prüfstand sollen auch die bürokratischen Verfahren rund um die Arzneimittelzulassung und des Produkt- und Patentschutzes. Bei Generika oder Biosimilars könne der Wettbewerb verbessert werden. Die Industrie bräuchte ein „stabiles und flexibles Regulierungsumfeld“; daneben einen besseren Zugang zu Gesundheitsdaten, wie sie künftig in dem Europäischen Gesundheitsdatenraum bereitgstelt werden sollen.
Strategische Autonomie
Eine der Lehren aus der COVID-19-Pandemie ist, das Europa krisenfester werden muss. Dieses Ziel steht im Zentrum des ersten Pakets zur Europäischen Gesundheitsunion und findet auch in der Arzneimittelstrategie seinen Widerhall. So sollen unter anderem den Herstellern mehr Auflagen zu ihren Versorgungs- und Transparenzverpflichtungen gemacht werden, um Engpässe zu verhindern und ein „strukturierter Dialog“ eingeführt werden. Die in diesem Zusammenhang geplante neue Behörde für die Krisenvorsorge und –reaktion (HERA) soll als eine ihrer ersten Aufgaben bei antimikrobiellen Resistenzen tätig werden.
Globale Zusammenarbeit
Die pharmazeutische Industrie ist weltweit verflochten. So ist es nur konsequent, auch auf der globalen Bühne darauf hinzuwirken, das die Produktqualitäten stimmen, die Produktionsbedingungen vertretbar sind, ein unverzerrter Wettbewerb möglich ist und der Austausch von Waren nicht behindert wird. Die internationale Zusammenarbeit zwischen Europäischer Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Netzwerk der nationalen Regulierungsbehörden habe bereits begonnen. Ziel sei hier, die regulatorische Konvergenz zu fördern.
Die Deutsche Sozialversicherung ...
... begrüßt, dass die EU-Kommission die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Arzneimitteln in den Fokus nimmt. Es ist richtig, die Hersteller hinsichtlich ihrer Melde- und Lieferpflichten strenger in die Pflicht nehmen zu wollen. Gut ist, dass Transparenz über die Forschungs- und Entwicklungskosten von Arzneimitteln geschaffen werden soll - dies kann die Preis- und Erstattungsverhandlungen auf nationaler Ebene unterstützen. Unterm Strich enthält die Arzneimittelstrategie viel positive Elemente.
Weitere Initiativen
Zeitgleich zur Arzneimittelstrategie hat die EU-Kommission weitere Initiativen veröffentlicht:
2. einen Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU und
3. den Vorschlag für ein Daten-Governance-Gesetz, das den Rahmen für die sektorenspezifischen Datenräume wie den Europäischen Gesundheitsdatenraum vorbereiten soll.