Gegen „eine der schwersten Formen von Armut und Entbehrung“
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Beendigung von Obdachlosigkeit.
JS – 12/2020
In den letzten 10 Jahren sei die Zahl der Obdachlosen in der
EU um mehr als 70 % angestiegen. Aktuell gehe man von mehr als
4 Millionen obdachlosen Unionsbürgerinnen und -bürgern aus. In Folge der
COVID-19-Pandemie ist davon auszugehen, dass diese Zahl steigen wird. Mehr
Menschen werden arbeitslos und von den Systemen für sozialen Schutz abhängig.
Das Europäische Parlament hat daher am 24. November 2020
eine entsprechende Entschließung
zur Senkung der Obdachlosenquoten in der EU bis zum Jahr 2030
verabschiedet. Darin spricht sich das Parlament für einen europäischen Rahmen
für nationale Strategien aus.
Das Parlament sieht Obdachlosigkeit unter anderem in
direktem Zusammenhang mit mangelnder Zugangsmöglichkeit zur
Gesundheitsversorgung. Viele obdachlose Menschen haben keine
Krankenversicherung oder suchen aufgrund der Stigmatisierung von
Obdachlosigkeit keine Hilfe - in Zeiten der Pandemie noch problematischer.
Eine Studie
des Europäischen Netzwerks für Sozialpolitik (ESPN) aus dem Jahr 2019 gibt
an, dass die Lebenserwartung obdachloser Menschen 20 Jahre niedriger liegt als
bei den übrigen Menschen.
Gründe für den Anstieg von Obdachlosigkeit
Als Ursachen für den Anstieg der Obdachlosenzahlen im
letzten Jahrzehnt nennt das Parlament eine Kombination von Gründen: steigende
Wohnkosten, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die Verringerung des
Sozialschutzes und unzureichende Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit
in vielen Mitgliedstaaten.
Durch fehlende Maßnahmen spart die öffentliche Hand jedoch
keine Kosten ein: Die sozialen Kosten werden entsprechend insbesondere in den Bereichen
Justiz und Gesundheit erhöht, so das Parlament.
Sozialpolitische Strategien zur Abhilfe
Das EU-Parlament möchte mehr sozialpolitische Strategien und
Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene: darin sollen die Mitgliedstaaten Wege
finden für einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie
Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialleistungen.
Das Parlament fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten
auf, Grundsatz 19 der europäischen
Säule sozialer Rechte „Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose“ entsprechend
umzusetzen. Durch „Housing First“-Projekte soll obdachlosen Menschen Wohnraum
zur Verfügung gestellt werden, ohne dass hierfür Bedingungen zu erfüllen sind.
Nach Sicherung dieses Grundbedürfnisses sollen dann Wege zur
beruflichen und sozialen Integration entwickelt werden. Obdachlose Menschen
sollen durch Beschäftigungsprogramme, Schulungen und andere Programme Zugang
zum Arbeitsmarkt erhalten.
Daneben sollen eine gemeinsame Definition und kohärente
Indikatoren für Obdachlosigkeit entwickelt werden, sodass das Ausmaß von
Obdachlosigkeit in der EU besser ermittelt werden kann.
Es bleibt abzuwarten, wie dies auf EU- und nationaler Ebene
umgesetzt wird, um das Ziel 2030 zu erreichen.