Gleichberechtigte Teilhabe und Nichtdiskriminierung
Neue Zehn-Jahres-Strategie der EU für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
SW – 03/2021
In der Europäischen Union (EU) leben mehr als
87 Millionen Menschen mit Behinderungen. Mit ihrer am 3. März 2021 vorgestellten
neuen Strategie der EU für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021 – 2030 möchte die Europäische
Kommission zu gleichberechtigter Teilhabe und Nichtdiskriminierung in den
Bereichen Zugänglichkeit, Sozialschutz und Gesundheit beitragen.
Barrierefreiheit gewährleisten
Grundvoraussetzung für eine uneingeschränkte
und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist die
Barrierefreiheit. Mit „AccessibleEU“ soll eine Wissensbasis mit Informationen
und bewährten Verfahren zur Barrierefreiheit in allen Bereichen aufgebaut
werden, um Anstöße für Strategien auf nationaler und EU-Ebene zu geben und die Umsetzung
bestehenden EU-Rechts zu erleichtern.
Wahrnehmung von Rechten
Die EU-Kommission möchte gemeinsam mit den
Mitgliedstaaten Menschen mit Behinderungen unter anderem bei der Wahrnehmung
ihres Rechts auf Freizügigkeit unterstützen. Aufbauend auf einem in acht
Ländern durchgeführten Pilotprojekt wird sie vorschlagen, bis Ende 2023 einen
europäischen Behindertenausweis einzuführen, der in allen Mitgliedstaaten
anerkannt werden soll.
Zugang zu hochwertiger und nachhaltiger Beschäftigung
Zu einer unabhängigen Lebensführung und Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben gehören die wirtschaftliche Unabhängigkeit und
soziale Inklusion, einschließlich der Teilhabe am Arbeitsmarkt und dem Zugang
zu Qualifikationen, die dies ermöglichen. Die EU-Kommission wird im kommenden Jahr ein Paket zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderungen
vorlegen. Hiermit möchte sie die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einschlägiger
beschäftigungspolitischen Leitlinien im Rahmen des Europäischen Semesters
unterstützen.
Der Austausch von Erfahrungen soll gefördert
werden, unter anderem im Hinblick auf eine Stärkung der Arbeitsvermittlungs-
und Integrationsdienste, die Schaffung von Einstellungsperspektiven, die
Erschließung von hochwertigen Arbeitsplätzen in geschützten Beschäftigungsverhältnissen
und im offenen Arbeitsmarkt sowie die Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen,
der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und von Programmen zur
beruflichen Rehabilitation.
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, bis
2024 Ziele festzulegen, um die Beschäftigungsquote von Menschen mit
Behinderungen zu erhöhen und das Beschäftigungsgefälle zwischen Menschen mit
und ohne Behinderungen zu verringern (siehe Berichte 09/2020 und 05/2020).
Das Europäische Parlament ist in seiner Entschließung vom 10. März 2021 zur Umsetzung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
unter Berücksichtigung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen ambitionierter. Die Abgeordneten fordern Maßnahmen mit
verbindlichen Vorgaben und messbaren Zielen, Fristen und Kontrolle für die
vollständige Umsetzung des Übereinkommens. Geldstrafen sollen zu
Inklusionszwecken reinvestiert werden.
Sozialschutz und Gesundheitsversorgung
Trotz erzielter Fortschritte bleiben die Mitgliedstaaten
aufgefordert, Lücken beim Sozialschutz für Menschen mit Behinderungen zu
schließen und Ungleichheiten abzubauen, beispielsweise durch Ausgleich der
zusätzlichen Kosten im Zusammenhang mit einer Behinderung. Auch bei der
Gesundheitsversorgung wird nach wie vor Handlungsbedarf gesehen, da Betroffene viermal häufiger über einen ungedeckten Bedarf an medizinischer
Versorgung berichten und medizinische Versorgung oft zu teuer, zu weit entfernt
oder nicht barrierefrei ist.
Die EU-Kommission plant 2022 eine Studie über den Sozialschutz und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen in Auftrag zu geben,
um bewährte Verfahren in Bezug auf Alterseinkommen, Krankenversicherung, Geld-
und Sachleistungen sowie Zusatzkosten aufgrund von Behinderung zu ermitteln. Reformen
des Sozialschutzes und des Rahmen für
die Einstufung von Behinderungen werden weiterhin unterstützt, auch über das Instrument
für technische Unterstützung.
Ausblick
Die EU-Kommission wird 2021 eine Plattform für das Thema Behinderungen einrichten, die die bestehende hochrangige
Gruppe „Behinderungsfragen“ ersetzen und die Umsetzung der vorliegenden
sowie nationaler Strategien unterstützen soll. Noch 2021 möchte sie einen Rahmen für die Überwachung der Umsetzung der Strategie vorlegen. Bis
spätestens 2023 soll ein Fahrplan zur Umsetzung vorliegen. Fortschritte sollen 2024
bewertet, Ziele und Maßnahmen falls nötig aktualisiert werden. Sowohl das Europäische Parlament in seiner Entschließung als auch die EU-Kommission fordern die Mitgliedstaaten
auf, ihre „Blockade“ im Hinblick auf eine allgemeine Richtlinie zur Anwendung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung über Beschäftigung und Beruf hinaus
aufzugeben.