Parlamentsposition zur Gesundheitsunion steht
Ein klares Ja zur Europäischen Gesundheitsunion, dennoch soll nachgebessert werden.
UM – 09/2021
Nachdem das Europäische
Parlament (EP) zur Stärkung der Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur
(EMA) bereits im Juli seine Position bezogen hat, nahm es am 15. September seine Entschließungen zu zwei weiteren „Krisen-Verordnungen“ mehrheitlich an. 598
Abgeordnete stimmten dafür, den Aufgabenbereich des Europäischen Zentrums für
die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zu erweitern. Der
Gesetzgebungsvorschlag zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren
fand 594 Befürworter. Damit hat nunmehr auch das Europäische Parlament zu dem ersten
Legislativpaket der Europäischen Gesundheitsunion seine Verhandlungsposition festgelegt.
Der Rat hatte sein Mandat bereits Ende Juli zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmt
(siehe auch NEWS August 2021).
ECDC für Kernaufgaben stärken
Der Bericht von Joanna Kopcińska (EKR, Polen) zum ECDC verdeutlicht noch einmal,
dass alle drei Verordnungen Teil eines miteinander verknüpften Pakets zum Aufbau
einer Europäischen Gesundheitsunion seien und im Kontext gesehen werden müssten.
Hier sei auch der Vorschlag zum Aufbau einer Krisen- und Resilienzbehörde HERA
mit einzubeziehen. Das ECDC selbst sei mit einem Jahreshaushalt von etwa 60
Millionen Euro und 300 Stellen zu schwach ausgestattet. Ausreichende Ressourcen müssten
sichergestellt werden. Die Rechtsgrundlage für den Kommissionsvorschlag sei Artikel
168 Absatz 5 AEUV, der Maßnahmen der Union "zur Bekämpfung der weit
verbreiteten schweren grenzüberschreitenden Krankheiten, Maßnahmen zur
Überwachung, Frühwarnung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender
Gesundheitsgefahren …“ vorsehe. Damit gingen aber keine Harmonisierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten einher. Das ECDC
solle sich deshalb in erster Linie auf seine Kernaufgaben konzentrieren,
nämlich die Ermittlung, Bewertung und Mitteilung aktueller und neu auftretender
Bedrohungen durch übertragbare Krankheiten.
Grenzüberschreitender Gesundheitsschutz braucht gute Daten
Der Bericht zum Verordnungsentwurf zu schwerwiegenden, grenzüberschreitenden
Gesundheitsgefahren steht unter der Hauptüberschrift „Solidarität“,
insbesondere auch mit Drittländern und Afrika. Folgt man der Berichterstatterin
Véronique Trillet-Renoir (RENEW, Frankreich), dürfe nicht ausschließlich auf
Pandemien fokussiert werden. Man müsse auch auf umweltbedingte und chemische Bedrohungen
reagieren können. Die Mitgliedstaaten bräuchten grundsätzlich mehr
Unterstützung, um die Erhebung und den Austausch von Daten zu gewährleisten.
Die Verfügbarkeit vergleichbarer Daten sei die Grundlage für ein verbessertes, koordiniertes
Handeln in einer Krise. Das Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS), ein vom ECDC
verwaltetes Instrument, solle mit moderner Technologie aktualisiert werden, um
seine Interoperabilität mit internationalen, europäischen, nationalen und
regionalen Warnsystemen unabhängig von der Art der Bedrohung sicherzustellen.
In die Bereitschafts- und Resilienzpläne müssten alle medizinischen Erzeugnisse
einbezogen werden und hinsichtlich des Vorrats, der Risiken von Engpässen und
der verfügbaren Produktionskapazitäten für diese Produkte bewertet werden. Im
Gegensatz zur Haltung des Rates, der mehr Einfluss der Länder im
Gesundheitssicherheitsausschuss geltend machen will, befürwortet das EP dessen Stärkung. Dem EP solle dort eine Beobachterrolle
eingeräumt werden.
Vordringlich müssen Engpässe bekämpft werden
Der Bericht von Nicolás Gonzáles Casares (S&D, Spanien) zum Verordnungsvorschlag für
eine stärkere Rolle der EMA hatte bereits am 8. Juli mit 587 Ja-Stimmen das
grüne Licht vom EP bekommen und rückt das Problem von Arzneimittelengpässen ins
Zentrum. Vorgeschlagen wird die Einrichtung einer elektronischen Plattform, die
den nationalen Behörden einen Echtzeitzugriff auf Daten zu ungedeckten
Nachfragen bietet. Dazu sollen Datenbanken auf nationaler Ebene unter
Verwaltung der zuständigen nationalen Behörde mit einer Datenbank auf
europäischer Ebene unter Verwaltung der EMA verknüpft werden. Dadurch sollte es
möglich sein, Angebot und Nachfrage, Ströme, Volumina und ungedeckte Nachfrage
von Händlern, öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken zu kennen. Daneben
werden Vorschläge gemacht, wie die geplante Notfall-Taskforce auch die
Entwicklung von krisenrelevanten Impfstoffen und Arzneimitteln unterstützen
kann, so zum Beispiel durch Vorgaben für klinische Prüfungen.
Während es Ende September zur Verordnung die EMA betreffend bereits zum zweiten politischen Trilog gekommen ist, beginnen die Triloge zu den Verordnungsvorschlägen zu ECDC und zu den grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren im Oktober. Mit der Klärung technischer Details wurde schon begonnen.