Populationsbezogenes Krebsscreening
Die Chefberaterinnen und -berater der Europäischen Kommission äußern sich zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung.
UM/LB – 03/2022
Im Rahmen des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung haben die wissenschaftlichen Chefberaterinnen und -berater der Europäischen
Kommission – die sogenannte Group of Chief Scientific Advisors (GCSA) – Empfehlungen zur Verbesserung der Krebsfrüherkennung
veröffentlicht. Die Stellungnahme der Expertenkommission dient als Grundlage
für einen Vorschlag der Europäischen Kommission an den Rat, der über die Aktualisierung
seiner Empfehlung für die Krebsfrüherkennung von 2003 entscheiden wird. Nach derzeitigem Stand (Jan. 2022) soll der Aktualisierungsprozess bis
spätestens 2025 abgeschlossen sein.
Inanspruchnahme steigern, neue Screenings einführen
Mit ihren
Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung als einem der zentralen Bausteine im Kampf
gegen Krebs zielt das Beratungsgremium zum einen auf eine verbesserte Teilnahme
an den etablierten bevölkerungsbezogenen Programmen zur Krebsfrüherkennung und
macht Vorschläge, wie die bestehenden Screening-Programme für Brust-, Darm- und
Gebärmutterhalskrebs ausgeweitet werden können. Zum anderen wird die Ausdehnung
der Früherkennung über Screenings auf Lungen- und Prostatakrebs sowie
eingeschränkt auch auf Magenkrebs empfohlen.
Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung
Die konkreten Empfehlungen beinhalten zum Beispiel:
- ein Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs für Frauen unter 50 Jahren,
- eine Prüfung auf Humanen Papillomvirus (HPV) und eine HPV-Impfung zur Bekämpfung des Gebärmutterhaltkrebs für unter 15-Jährige,
- im Rahmen der Darmkrebsfrüherkennung Fäkal-Immunologische Tests (FIT) als bevorzugten Triage-Tests vor einer Koloskopie,
- die Niedrigdosis-Computertomographie für (auch ehemalige) Raucherinnen und Raucher im Rahmen eines Programms zur Früherkennung von Lungenkrebs,
- prostata-spezifische Antigen-Verfahren (PSA-Screening) in Kombination mit ergänzenden MRT bei der Früherkennung von Prostatakrebs sowie
- ein Magenkrebs-Screening in Regionen mit mittleren bis hohen Inzidenzraten.
Die Expertinnen
und Experten haben außerdem über Verfahren zur Frühdiagnostik von
Speiseröhrenkrebs mittels endoskopischer Untersuchungen und Eierstockkrebs mittels
Ultraschall und einem CA124-Screening beraten. Mangels ausreichender Belege werden
hierfür jedoch keine Empfehlungen für die Aufnahme in populationsbezogene
Früherkennungsprogramme ausgesprochen.
Leitlinien dynamisieren
Die konkreten Empfehlungen
werden ergänzt durch allgemein formulierte Maßnahmen zur verbesserten Krebsfrüherkennung,
zum Beispiel Selbst-Testungen zu Hause, Informationsangebote und gemeinsame
Entscheidungsprozesse. Zudem rät die GCSA zur Entwicklung von dynamischen Leitlinien-Systemen,
die die zügige und kontinuierliche Anpassung von Screening-Programmen an
aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen – zum Beispiel im Hinblick
auf neue Technologien. Schulungsmaßnahmen, Qualitätssicherung und Dokumentation
finden ebenfalls Erwähnung.
Hohe Evidenz sicherstellen
Mit ihren
Vorschlägen gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über den Rahmen
dessen, was derzeit in Deutschland Bestandteil der vertragsärztlichen
Versorgung ist, nennenswert hinaus. Die Deutsche Sozialversicherung hat im
Rahmen des Sondierungsprozesses in einer kurzen Stellungnahme deutlich gemacht, dass bei der
Weiterentwicklung der Früherkennungsprogramme neben Wirksamkeit und Kosten auf ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen patientenrelevantem Nutzen und Schaden zu
achten ist.
Eine Ausweitung der Screenings auf weitere Krebsarten sei nur dann
gerechtfertigt, wenn eine genügend hohe Evidenz für deren Nutzen hinsichtlich
Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit sowie eine ausgewogene
Nutzen-Schadens-Bilanz gegeben ist. An diesem Anspruch müssen sich die Vorschläge
der Kommissionsberaterinnen und -berater messen lassen.
Die
vollständige Publikation der GCSA-Chefberater finden Sie hier: „Cancer Screening in the European Union“.