Nachhaltige Renten erfordern nachhaltige Anlagestrategien
Rücklagenfonds der öffentlichen Rentenversicherungsträger passen sich an
VS – 04/2022
Verantwortungsbewusstes
Anlageverhalten nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien (Environmental
Social Governance – kurz: ESG) gewinnt zunehmend an Bedeutung, so
beispielsweise auf EU-Ebene im Richtlinienvorschlag über die unternehmerische
Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (europäisches Lieferkettengesetz
– siehe News 3/22). Eine aktuelle Studie zeigt, dass dies auch für Rücklagenfonds
der öffentlichen Rentenversicherungsträger in Schweden und Finnland gilt.
Nachhaltigkeit – ein Begriff im Wandel
Das Thema nachhaltige
Renten steht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels seit mehreren
Jahrzehnten weit oben auf der politischen Agenda. Es gibt dabei mindestens zwei
Definitionen von Nachhaltigkeit in Rentensystemen, nämlich eine restriktive und
eine weiter gefasste. Die restriktive Definition reduziert den Begriff der
Nachhaltigkeit auf eine reine Frage des finanziellen Gleichgewichts des
Rentensystems. Ein Rentensystem ist nachhaltig, wenn sein Haushalt ausgeglichen
ist. Diese Definition wird von Wissenschaft und Politik teilweise kritisch
hinterfragt: Sie blende mögliche Auswirkungen auf andere wesentliche Aspekte
der Rentenpolitik aus und sei nicht geeignet, um komplexe Fragen wie die
Sicherung der gegenwärtigen und zukünftigen Alterssicherung zu behandeln.
Daher haben
auf europäischer Ebene Mitgliedsstaaten und Europäische-Kommission drei übergeordnete
rentenpolitische Ziele formuliert. Neben der Wahrung der finanziellen Tragfähigkeit
der Rentensysteme sind dies die Sicherstellung eines angemessenen Alterseinkommens
und die Erhöhung von Erwerbsbeteiligung und Lebensarbeitszeit. In den vergangenen
Jahren ist der Begriff der Nachhaltigkeit um verantwortungsbewusstes Handeln und
Anlageverhalten nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien erweitert
worden. Die Diskussion um nachhaltige Renten gewinnt somit immer weiter an
Bedeutung.
Nachhaltige Anlagen
Auch bei einem Anlagenkauf nach ethischen, ökologischen und sozialen
Kriterien steht weiterhin die Renditeerwartung - unter Berücksichtigung
möglicher Risiken - im Vordergrund. Dabei wird angenommen, dass die
Einbeziehung ethischer, ökologischer und sozialer Kriterien zu einer
Minimierung langfristiger Risiken beiträgt.
Schweden und Finnland – unterschiedliche Wege, vergleichbare Entwicklung
Die
Anlagemöglichkeiten von gesetzlichen Rentenversicherungsträgern werden durch den
jeweiligen nationalen Gesetzgeber reglementiert und unterliegen oft starken
Restriktionen. Einige Rentenversicherungsträger verfügen jedoch über größere
Freiheitsgrade und können eigene Anlagestrategien entwickeln. Hierzu zählen in
Europa die Rücklagenfonds der öffentlichen Rentenversicherungsträger in
Schweden und Finnland. In einer aktuellen Studie wird gezeigt, dass die
finnischen und schwedischen Rentenanlagen ethischen, ökologischen und sozialen
Kriterien folgen. Der Weg war in beiden Ländern jedoch unterschiedlich.
In Schweden
hat der Gesetzgeber eine aktive Rolle eingenommen. Dabei wird die Frage einer
langfristig nachhaltigen und rentablen Anlagestrategie sowohl in der Politik
als auch in der Wissenschaft diskutiert. In Finnland gab es dagegen weder
gesetzliche Regelung noch hat hierzu eine öffentliche Diskussion stattgefunden.
Dort liegt die Triebfeder bei dem Management der Rentenfonds. Diese sind dabei
primär durch den internationalen Diskurs eines verantwortungsbewussten
Anlageverhaltens beeinflusst worden. Insbesondere der Fokus auf Anlagen mit
langfristigen Renditen bei geringem Risiko hat die Entscheider zu einer
zunehmenden Einbeziehung von ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien
motiviert.