Rat und Europäisches Parlament diskutieren Richtlinienvorschlag zur Plattformbeschäftigung
Im Fokus: Feststellung Beschäftigungsstatus und algorithmisches Management
VS – 06/2022
Am 6. Mai
hat Berichterstatterin des Ausschusses für Beschäftigung und soziale
Angelegenheiten (EMPL) Elisabetta Gualmini den Berichtsentwurf zum
Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Plattformbeschäftigung vorgelegt. Auch im Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik,
Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) haben hierzu erste Gespräche
stattgefunden. Im Mittelpunkt der Diskussion standen dabei die Bestimmungen zur
Feststellung des Beschäftigungsstatus von Plattformbeschäftigten und das
algorithmische Management.
Für die Statusfeststellung hat die Europäische Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag – basierend auf der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) – eine Liste von fünf Kriterien
formuliert. Um eine schnelle Feststellung zu ermöglichen, soll dies anhand einer
gesetzlichen Vermutung erfolgen. Danach wird ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis vermutet, wenn zwei der fünf Kriterien vorliegen.
Berichtsentwurf der Berichterstatterin ist im EP umstritten
Im
Berichtsentwurf der sozialdemokratischen Berichterstatterin Gualmini wird bei der
Statusfeststellung der primäre Bezug auf die fünf Kriterien kritisiert.
Stattdessen soll eine Erweiterung auf elf Kriterien erfolgen, die zudem in die
Präambel verlagert werden. Die aufgeführten Kriterien sollen so eine nicht abschließende Liste von
Elementen bilden, auf die sich zuständige Behörden bei der Beurteilung des
Beschäftigungsstatus beziehen können.
Eine
weitere zentrale Forderung des Berichtsentwurfs ist, dass dem Regelungsrahmen
zur Ausgestaltung des algorithmischen Managements in der Richtlinie die gleiche
Wichtigkeit eingeräumt wird wie der Statusfeststellung.
Der
Vorschlag zur Statusfeststellung wird von dem Schattenberichterstatter der Europäischen
Volkspartei, Dennis Radtke, und der Schattenberichterstatterin von Renew, Lucia
Ďuriš Nicholsonová, kritisiert. Beide sprechen sich gegen die Ausweitung der
Kriterienliste aus und betonen, dass die gesetzliche Vermutung
Plattformbeschäftigte nicht automatisch zu abhängigen Beschäftigten machen darf.
Daher sollte das Vorliegen von drei anstelle von zwei Kriterien Voraussetzung
für die Einstufung als abhängige Beschäftigte erforderlich sein.
Auch sollen
nach den Abgeordneten der EVP freiwillige
Leistungen, wie Leistungen bei Arbeitsunfällen oder Weiterbildungsmöglichkeiten, bei der
Einstufung nicht berücksichtigt werden, damit diese Leistungen nicht zu einer Einstufung als
abhängigen Beschäftigten führen. Dies war ursprünglich im
Kommissionsvorschlag zur Feststellung des Beschäftigungsstatus vorgesehen,
wurde jedoch im Berichtsentwurf von Gualmini
gestrichen.
Ratspräsidentschaft legt ersten Fortschrittsbericht im EPSCO vor
Die
französische EU-Ratspräsidentschaft hat auf der EPSCO-Sitzung am 16. Juni einen
ersten Fortschrittsbericht zum Stand der Diskussion zum Richtlinienvorschlag
der EU-Kommission zur Plattformbeschäftigung vorgelegt. Im Unterschied zum Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments wird darin
der Kommissionsvorschlag befürwortet, zwei der fünf Kriterien der Statusfeststellung
zugrunde zu legen. Gegenüber dem Richtlinienvorschlag soll bei der gesetzlichen
Vermutung zur Statusfeststellung nicht nur die Kontrolle der Arbeitsleistung zu
Grunde liegen. Vielmehr soll sich diese auf alle „Einschränkung der Freiheit
die Arbeit zu organisieren und ihre Ausführung zu kontrollieren" beziehen.
Allerdings haben mehrere Mitgliedstaaten einen Vorbehalt gegen den Fortschrittsbericht
und die dort getroffen Aussagen zur Statusfeststellung eingelegt.
Äußerungen
der Ratspräsidentschaft legen zudem nahe, dass die Forderung im Berichtsentwurf
von Gualmini unterstützt wird, dem algorithmischen Management in der Richtlinie
die gleiche Bedeutung zukommen zu lassen, wie der Bestimmung des
Beschäftigungsstatus.
Belgien will Richtlinienvorschlag zur Statusfeststellung vorab umsetzen
Die
belgische Regierung hat sich am 17. Juni auf den Gesetzentwurf des im Februar
vorgestellten Reformpakets für den Arbeitsmarkt verständigt. Teil des Reformpakets sind neue
Vorgaben für die Feststellung des Beschäftigungsstatus von
Plattformbeschäftigten sowie deren Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Belgien
folgt bei der Statusfeststellung der Europäischen Kommission, will jedoch noch
drei weitere Kriterien hinzufügen. Danach wird die Vermutung einer abhängigen
Beschäftigung ausgesprochen, wenn drei der acht Kriterien oder zwei der fünf letztgenannten
Kriterien erfüllt sind. Umstritten war, wer über die gesetzliche Vermutung
entscheidet. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Kommission zur Regelung des
Arbeitsverhältnisses zuständig ist. Die Arbeitgeberseite und die Liberalen
befürworteten dagegen, dass die Zuständigkeit bei den Arbeitsgerichten liegen
solle und die Kommission nur eine beratende Funktion zukomme.
Des
Weiteren ist vorgesehen, dass Plattformbeschäftigte unabhängig vom
Beschäftigtenstatus gegenüber Arbeitsunfällen versichert werden sollen. Wobei
der Versicherungsschutz von der digitalen Arbeitsplattform gezahlt werden muss.
So geht es weiter
In der
EPSCO-Sitzung am 16. Juni hat die kommende tschechische Ratspräsidentschaft
ihre Planung für das zweite Halbjahr 2022 vorgestellt. Danach strebt sie für
den 8. Dezember den Beschluss einer Position des Rates zum Richtlinienvorschlag
an. Im Europäischen
Parlament beginnen am 5. Juli die Verhandlungen zwischen den politischen
Fraktionen unter Führung der Berichterstatter und Berichterstatterinnen. Die
Abstimmung im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten ist für
Oktober vorgesehen und im Plenum des Europäischen Parlaments für November oder
Dezember dieses Jahres. In Belgien
wird der Gesetzentwurf dem Parlament zugeleitet.