Für ein wettbewerbsfähiges Europa: Lebenslanges Lernen als individuelles Arbeitnehmerrecht
Digitalisierung, längere Lebensarbeitszeit und Green Deal als Herausforderungen für die Arbeitswelt
LB – 07/2022
Gesellschaft und Arbeitswelt befinden
sich laut Empfehlungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) in einem tiefgreifenden Wandel. Die Digitalisierung und ihre
zunehmende Dynamik, demographische Entwicklungen und nicht zuletzt die
Klima-Ziele im Rahmen des Green Deal bilden die Herausforderungen der nächsten
Dekaden, deren Auswirkungen sich u.a. auch im wachsenden Fachkräftemangel zeigen.
Hinzu kommt die Bewältigung aktueller Krisen, wie der Corona-Pandemie und den
Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die Unternehmen und ihren Mitarbeitenden
schnelle Reaktions- und Anpassungsfähigkeit abfordern.
Bildung sichert die Zukunft Europas
Allgemeine und berufliche Bildung sind deshalb
ein entscheidender Faktor für den Arbeitsmarkt und den Wohlstand Europas. In
der europäischen Säule sozialer Rechte hat die EU ganz oben das „Recht auf
allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen“ als unerlässlichen
Grundsatz formuliert. Dessen Umsetzung hat auch der EWSA auf der Agenda.
Empfehlungen zur Förderung der beruflichen Bildung
In einer öffentlichen Anhörung wurden
die Ergebnisse einer aktuellen Studie der
Arbeitsmarktbeobachtungsstelle mit Vertreterinnen und Vertretern europäischer Institutionen, den Sozialpartnern
sowie anderer Organisationen der Zivilgesellschaft diskutiert. Die vorgelegte
Studie untersuchte in 12 EU-Ländern Herausforderungen und Trends auf dem
Arbeitsmarkt, sammelte Beispiele für bewährte Praktiken und sprach Empfehlungen
aus, um sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch ihre Unternehmen zu ermutigen,
lebenslanges Lernen und Weiterbildung besser in den Arbeitsmarkt zu
integrieren. Zwei der wichtigsten Empfehlungen lauteten, lebenslanges Lernen
und Weiterbildung als individuelles Recht der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer zu garantieren und den sozialen Dialog zu stärken.
Handlungsfelder innerhalb der EU
Ein wesentliches Problem innerhalb der
EU sei das Fehlen eines standardisierten Systems für die Weiterqualifikation
während der beruflichen Laufbahn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
innerhalb der EU. Um damit die Mobilität der Arbeitskräfte zu verbessern,
müssen die Anerkennung, Zertifizierung sowie die Instrumente zur Bewertung von Kompetenzen
innerhalb der EU besser harmonisiert werden. Die Studie konstatiert, dass es
dazu bisher in keinem Mitgliedstaat eine Norm gibt.
Eine besondere Rolle spielen
übergreifende Fähigkeiten (Querschnittskompetenzen), für deren Erwerb die
Teilnehmenden auch in Schul- und Ausbildungssystemen Anpassungsbedarf sahen. Aspekte
der Inklusion kamen ebenfalls zur Sprache. Nicht nur Unternehmen und
Bildungsanbieter, sondern auch die Arbeitnehmerschaft sollte angespornt werden,
sich kontinuierlich weiterzubilden, um den sich ändernden Anforderungen kontinuierlich
gerecht zu werden („Upskilling und Reskilling“).
Lebenslanges Lernen ist Teil der
sozialen Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger. Für Qualifikationsherausforderungen
gibt es kein „Patentrezept“ – erforderlich sind eine Vielzahl von Maßnahmen auf
verschiedenen Ebenen und das Zusammenwirken von politischen Entscheidungsträgern,
Sozialpartnern und Zivilgesellschaft auf europäischer, nationaler und lokaler
Ebene.