Tarifverhandlungen für Solo-Selbstständige
Europäische Kommission verabschiedet Leitlinie
AG – 10/2022
Die Europäische Kommission stärkt die Rechte Selbstständiger
in der EU und hat am 29. September die Leitlinie
zu Tarifverhandlungen für Solo-Selbstständige angenommen. Diese sieht vor,
dass Zusammenschlüsse von Soloselbstständigen künftig Tarifverhandlungen führen können, wenn sie
bestimmte Kriterien erfüllen. Die Initiative der Europäischen Kommission steht
im Zusammenhang mit dem Richtlinienentwurf
für Plattformarbeitende, der 2023 verabschiedet werden soll.
Bisher
erlaubt das EU-Wettbewerbsrecht keine Kollektivverhandlungen für selbstständige
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Denn im EU-Wettbewerbsrecht zählen
Selbstständige rechtlich wie Unternehmen, die beispielsweise keine
Preisabsprachen untereinander festlegen dürfen. Somit war es Solo-Selbstständigen
bisher kaum möglich, sich als Arbeitnehmende zu organisieren und Tarifverträge für
bessere Arbeitsbedingungen sowie Löhne auszuhandeln.
Kriterien für Tarifverhandlungen
Die Europäische Kommission will das ändern. Das
Wettbewerbsrecht soll nun nicht mehr auf Selbstständige angewendet werden,
deren Arbeitssituation sich mit der eines abhängigen Beschäftigten vergleichen lässt. Dies lässt sich nach der Europäischen Kommission anhand von drei
Kriterien feststellen:
- wirtschaftliche abhängige Solo-Selbstständige:
Hierzu zählen Selbstständige, die mehr als 50 Prozent ihres Einkommens von
einem oder einer Auftraggebenden beziehen.
- Solo-Selbstständige, die „Seite an Seite“ mit
Arbeitnehmenden arbeiten: Hierzu zählen Selbstständige, die gleiche oder
ähnliche Aufgaben verantworten, wie angestellte Beschäftigte des auftraggebenden
Unternehmens.
- Plattformarbeitende: Hierzu zählen Solo-Selbstständige,
die für eine digitale Arbeitsplattform arbeiten.
Überschneidungen zur Plattformarbeit
Der Leitlinienentwurf für Tarifverhandlungen für Solo-Selbstständige
ist, ebenso
wie der Richtlinienentwurf für Plattformarbeitende, Teil des am 9. Dezember 2021 vorgelegten Maßnahmenpakets
zur Plattformbeschäftigung. Beide Vorhaben zielen darauf
ab, die Arbeitsbedingungen
Plattformbeschäftigter zu verbessern. Während der Richtlinienentwurf jedoch
nur auf Mitarbeitende bei digitalen Arbeitsplattformen abzielt, schließt der
Leitlinienentwurf alle Soloselbstständigen ein – unabhängig davon, welches
Unternehmen Auftraggeber ist.
DSV begrüßt Tarifverhandlungen für Selbstständige
Die Europäische Kommission hat bereits im Juni 2020 erste
Schritte für die Initiative zu Tarifverhandlungen für Selbstständige
eingeleitet. Die DSV hat sich in einem Positionspapier für das Vorhaben der Europäischen
Kommission ausgesprochen und bekräftigt, dass Tarifverhandlungen ein wichtiges
Instrument für bessere Arbeitsbedingungen sowie zum Gesundheits- und
Arbeitsschutz von Selbstständigen sind.