Hohe Preise verhindern Zugang zu Arzneimitteln

UM – 11/2022

Im Vorfeld der Revision der Arzneimittelgesetzgebung ist der Wettstreit um die besten Reformvorschläge im Europäischen Parlament angekommen.

Überzogenen Preisen entgegenwirken

Bereits im Oktober kursierte im politischen Brüssel ein Brief der Vorsitzenden des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) Cristian Silviu Bușoi (Christdemokraten/EPP) und Ausschussmitgliedern, vornehmlich aus den Parteien EPP und RENEW/Liberale. Gemeinsam zeigten sie sich besonders besorgt über Ideen, die Transparenz über Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Pharma-Hersteller zu erhöhen und Daten klinischer Studien breiter zugänglich zu machen. Beides sind zentrale Forderungen der Kostenträger und auch der Deutschen Sozialversicherung. Denn diese Informationen sind notwendig, um bei Erstattungsverhandlungen und Nutzenbewertungen zu realistischen Einschätzungen und angemessenen Preisen zu gelangen. Schließlich müssen die Gesundheitssysteme und die Versicherten vor überzogenen Arzneimittelpreisen geschützt werden, um funktionsfähig zu bleiben.

Arzneimittellieferung in allen Ländern sicherstellen

Anfang November hat sich auch der europäische Verbraucherverband (BEUC) in die Diskussion eingeschaltet und sich ebenfalls an das Europäische Parlament gewandt. In seinem Brief vom 2. November 2022 betont BEUC die Wichtigkeit, dass Forschung und Entwicklung im Versorgungsalltag ankommen müssen. Hohe Arzneimittelpreise, oft bei Krebstherapien, würden dies verhindern. Zudem würden aus kommerziellen Gründen nicht alle neuen Medikamente in allen EU-Mitgliedsstaaten vermarktet. Das schaffe Ungleichheiten.

Selbstverpflichtungen der Industrie reichen nicht

Im Zuge der neuen Arzneimittelgesetzgebung müsse das bestehende Anreizsystem ausgewogen überarbeitet werden, so die BEUC. Neben erschwinglichen Preisen sei die rechtzeitige Verfügbarkeit von Generika und Biosimilars zu gewährleisten und sicherzustellen, dass neue Arzneimittel in allen Mitgliedstaaten vermarktet werden. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie würden nicht reichen.

Nein zu Arzneimittel-Vouchern

Deutlich spricht sich der Verbraucherverband auch gegen die sogenannten Voucher (tranferable exclusivity extension, TEE) aus, mithilfe derer die Europäische Kommission nach wie vor die Entwicklung neuer antimikrobieller Arzneimittel fördern will. Die Idee, dass nach der Marktexklusivität Rechte auf andere Arzneimittelprodukte übertragen bzw. an Dritte verkauft werden können, verschleppe nach Ansicht von BEUC den Generikawettbewerb und führe zu enormen Kosten in den Gesundheitssystemen. Zum Beispiel dann, wenn solche Rechte ohne weitere Einschränkungen auf Blockbuster von Pharmaunternehmen übertragen werden. Schon ein Jahr zusätzlicher Exklusivitätsschutz führt zu hohen Ausgaben bei den Krankenversicherungen, die bei einem frühzeitiger einsetzenden Generikawettbewerb vermeidbar gewesen wären (siehe auch DSV News August 2022).

Der Vor­schlag der Euro­päi­schen Kom­mis­sion zur Revi­sion des Arz­nei­mit­tel­rechts war ursprünglich im vier­ten Quar­tal die­ses Jah­res erwar­tet, wird sich aber auf das Jahr 2023 verschieben.