Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung

NH – 02/2023

Der französische Senat hat am 1. Februar beschlossen, dass der Zugang zu Abtreibungen in die Verfassung aufgenommen werden soll. Diese Entscheidung folgt einem Prozess, welcher 2019 durch eine sozialdemokratische Initiative angestoßen wurde und auf die ehemalige Präsidentin des EU-Parlaments und Kämpferin für Frauenrechte, Simone Veil, zurückzuführen ist.

Historisch gewachsen – Frauenrechte

Die 2017 verstorbene Holocaustüberlebende war von 1974 bis 1979 französische Gesundheitsministerin und hat die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen in den Vordergrund gerückt. Sie hat unter anderem den Zugang zu Verhütungsmitteln, insbesondere der „Pille“ deutlich erleichtert. Als ihr härtester Kampf gilt aber die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Über viele Jahre setzte sie sich für schwangere Menschen ein, um diesen die Chance auf eine selbstbestimmte reproduktive Entscheidung zu geben. Das sogenannte Loi Veil (Veil-Gesetz) bietet seit dem 17. Januar 1975 eine Grundlage für legale Schwangerschaftsabbrüche.

Debatte in Frankreich: Recht auf Schwangerschaftsabbruch

Wie in vielen Staaten der Europäischen Union ging auch in Frankreich eine Welle der Empörung durch die Bevölkerung, als Polen im Jahr 2020 ein de facto Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen verhängt hat. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtes wurde als schwerwiegender Eingriff in die Rechte der polnischen Bevölkerung gesehen und international gerügt.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, Schwangerschaftsabbrüche ebenfalls nicht mehr als verfassungsmäßiges Recht zu garantieren, führte besonders in Frankreich zu einer Debatte, in welcher gefordert wurde, dass das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in der Verfassung verankert wird.

Nationalversammlung

Bereits am 24. November 2022 unterstützte die französische Nationalversammlung (direkt gewählte Volksvertretende) mit großer Mehrheit eine Resolution, welche das Recht auf freiwillige Schwangerschaftsabbrüche fordert. 337 der 577 Abgeordneten stimmten für eine Aufnahme in die Verfassung und 32 dagegen. Dieses Ergebnis wird bereits jetzt als Sieg für Frauenrechtlerinnen und -rechtler in Frankreich gesehen.

Senat

Der Senat (indirekt gewählte Volksvertretende) stimmte erstmals im Oktober 2022 ab und lehnte die Verfassungsänderung in der ersten und zweiten Lesung ab. Bruno Retailleau, Fraktionsvorsitzender der Republikaner (Les Républicains) im Senat begründet dies dadurch, dass es in Frankreich keine politische Ausrichtung gäbe, welche Schwangerschaftsabbrüche verbieten möchte. Des Weiteren sei es nur ein symbolischer Akt als Antwort auf die Vereinigten Staaten und Polen. Im Februar wurde eine veränderte Fassung des Vorschlags im Senat zur Abstimmung gebracht. So soll die Verfassung die „Freiheit“ der Frau sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, anstelle vom vorher geforderten „Recht“ auf einen Abbruch beinhalten. Diese Änderung wurde seitens der sozialistischen, grünen sowie kommunistischen Senatorinnen und Senatoren bedauert. Die Abstimmung im Senat fiel mit 166 Ja zu 152 Nein-Stimmen nun ebenfalls positiv aus.

Was nun?

Die französische Verfassung kann auf zwei Wegen verändert werden. Der erste Weg sieht vor, dass es zu einem Referendum kommt, in welchem alle wahlberechtigten französischen Bürgerinnen und Bürger über die Änderung abstimmen können. Der zweite Weg ist ein rein legislativer Vorgang. Hierbei muss der französische Präsident Emmanuel Macron den Kongress einberufen. Dieser setzt sich aus der Nationalversammlung und dem Senat zusammen. Dort wird der Änderungsvorschlag zur Abstimmung gebracht und muss mit drei Fünftel Mehrheit beschlossen werden. Welchen dieser Wege die französische Legislative gehen wird, ist noch ungewiss.