Mehr Kontrolle im Europäischen Parlament
Nicht-EU-Lobbyisten unerwünscht
IF – 08/2023
Die Folgen des Bestechungsskandals einiger Europaabgeordneter
durch das arabische Land Katar hat im Europäischen Parlament zu einem im
Februar neu eingerichteten Sonderausschuss
zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der EU
(INGE 2) geführt. Der
Ausschuss hat in den letzten Monaten einen Initiativbericht erarbeitet und fordert
wirksamere Kontroll- und Überwachungssysteme gegen politische Einflussnahme aus
dem Nicht-EU-Ausland.
Interne Reformen notwendig
In dem am 13. Juli verabschiedeten Bericht werden Empfehlungen für Reformen der Vorschriften des
Europäischen Parlaments zu Transparenz und Korruptions-bekämpfung thematisiert.
Auslöser war das Fehlverhalten der ehemaligen sozialdemokratischen Vizepräsidentin
des Europäischen Parlaments Eva Kaili (NA/GR). In ihrer Brüsseler Wohnung
fanden belgische Antikorruptionsermittler im Dezember 2022 mehrere
Hunderttausend Euro, mit dem sich das Emirat Katar politischen Einfluss durch
Kaili erkauft haben soll. Durch ihre Haft und ihr Verhalten unterlag das
Europäische Parlament wochenlang einer Glaubwürdigkeitskrise, nicht nur extern,
sondern auch intern. Fraktionsübergreifend wurde über strengere Kontrollen für
Lobbyisten aus Nicht-EU-Ländern debattiert. Die DSV hatte darüber berichtet 04/2023.
Was soll geändert werden?
Vor der kommenden Europawahl im Juni 2024 bemüht sich das
Europäische Parlament um Schadensbegrenzung. Der Verhaltenskodex für Europaabgeordnete
soll überarbeitet werden, um bestehende Schlupflöcher bei finanziellen
Interessen oder Interessenkonflikten mit allen Lobbyisten einzudämmen. Es
sollen Informationen über die Tätigkeit der Abgeordneten sowie die Treffen mit Lobbyisten
strikter nachvollziehbar sein. Bei Verstößen können finanzielle Strafen
verhängt werden, was bisher nie der Fall gewesen ist. Obgleich es sogar zu 26 Verstößen
allein im letzten Jahr gekommen ist.
Top Down Strategie
Nicht nur die Aktivitäten von Politikerinnen und Politikern
müssen transparenter werden. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europaabgeordneten
und des Verwaltungsapparats müssen künftig an verpflichtenden Schulungen zu „Korruptionsverdacht
und Stärkung der Transparenz“ teilnehmen. Besonders wenn sich Länder wie Katar,
Marokko, China, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Serbien und die
Türkei an die Büros der Europaabgeordneten wenden, sei Vorsicht geboten. Diese
Länder hätten bereits viel in Lobbyarbeit in Brüssel investiert. Eine Sensibilisierung
in der strategischen Kommunikation soll daher auf allen Ebenen im Europäischen
Parlament verbessert werden.
Mehr Transparenz im Transparenzregister
Das Europäische Transparenzregister soll
ausgeweitet und stärker kontrolliert werden. Im Bericht wird verlangt, dass
alle Europaabgeordneten Termine mit Interessenvertretern – auch Treffen mit
diplomatischen Vertretern von Staaten außerhalb der EU – offenlegen müssen. Besonders
soll auf die Eintragung aller Anwesenden bei Gesprächsterminen und bei Veranstaltungen
innerhalb des Europäischen Parlaments geachtet werden. Die DSV ist ebenfalls
ordnungsgemäß als Interessensvertretung im Transparenzregister registriert.
Neues Ethikgremium als Wundermittel?
Im Februar forderten die Europaabgeordneten
die Europäische Kommission und den Rat der Europäischen Union auf, ein
unabhängiges Ethikgremium einzurichten. Das Gremium soll auch ehemalige
Europaabgeordnete kontrollieren, wenn diese Lobbyarbeit betreiben. Nun liegt es
an der Europäischen Kommission einen Vorschlag vorzulegen. Ob dies aber noch
vor der Europawahl 2024 passiert, ist derzeit nicht absehbar. Ein negatives
Thema, wie die Bestechlichkeit von Europaabgeordneten, wäre nicht besonders
förderlich für den europaweiten Wahlkampf.