Im neuen ed* ist nachzulesen, wie die Digitalisierung und der Klimawandel die Sozialversicherungssysteme herausfordert.

AH/UM – 11/2023

Am 27. Juni feierte die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSV) ihr 30-jähriges Bestehen im Rahmen einer Fachkonferenz in Brüssel. Unter dem Titel „140 Jahre Sozialversicherung – 30 Jahre Binnenmarkt. Bismarck on the move: Get digital. Go green“ hat sie sich dabei mit zwei großen gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandergesetzt, die auch in der Sozialversicherung einschneidende Veränderungen mit sich bringen: Die Digitalisierung und der Klimawandel. Im aktuellen Themenletter ed* der DSV sind die Hauptbotschaften der Veranstaltung nachzulesen.

„Get digital“ – Mobiles Arbeiten im digitalen Wandel und Sozialschutz

Die Digitalisierung ist in allen Bereichen des Lebens in vollem Gange. Sie betrifft nicht nur die betrieblichen Abläufe der Sozialversicherungsträger. Sie soll wesentlich dazu beitragen, Arbeitnehmerrechte in ganz Europa besser durchzusetzen, die Koordinierung der sozialen Sicherheit bürgerfreundlich weiterzuentwickeln, die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vereinfachen und die Zusammenarbeit der Behörden europaweit zu verbessern.

Hohe Komplexität, große Unterschiede

Die Europäische Kommission hat zur Digitalisierung der Sozialen Sicherheit eine Reihe von Initiativen angestoßen. Einige hierunter – so zum Beispiel EESSI, der elektronische Austausch von Daten zwischen den europäischen Sozialversicherungsträgern – laufen bereits sehr gut. Andere Initiativen wie das einheitliche digitale Zugangsportal (SDG), der europäische Sozialversicherungspass (ESSPASS) oder die europäische digitale Identität stehen noch am Anfang beziehungsweise sind in der vorbereitenden Erprobung. Die Erfahrungen, die mit EESSI gemacht worden sind, haben vor allem eines gezeigt: Digitale Großprojekte sind außerordentlich komplex und erfordern Feinarbeit im Detail. Denn die Systeme unterscheiden sich zum Teil erheblich, stellen unterschiedliche Anforderungen an digitale Lösungen und stoßen von Land zu Land an jeweils andere Machbarkeitsgrenzen. Soll eine Umsetzung gelingen, müssen die relevanten Sozialversicherungsorganisationen und nationalen Behörden frühzeitig eingebunden werden und ihre Expertise einbringen können, damit die Vorschläge den Praxistest bestehen können.

„Go Green“ – die Sozialversicherung im Klimawandel

Der Klimawandel ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die größte globale Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Seine Folgen betreffen auch die sozialen Sicherungssysteme. Das Gesundheitswesen muss sich auf neue Gesundheitsgefahren durch Hitze, Strahlung, Ausbreitung von Infektionserregern und psychischen Belastungen einstellen. Daneben werden die Notfall- und medizinischen Versorgungsstrukturen durch häufiger werdende Umweltkatastrophen massiv gefordert. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind extremer werdenden Wetterbedingungen ausgesetzt und brauchen einen wirkungsvollen Schutz am Arbeitsplatz. Und neue grüne Technologien mögen zwar nachhaltiger sein, können aber auch neue Arbeitsplatzrisiken mit sich bringen.

Wissenslücken und Datendefizite

Bisher sind Klima- und Sozialpolitik voneinander getrennt beforscht worden. Eine systematische und hinreichend gezielte Datenerhebung von klimabedingten Auswirkungen auf das Gesundheits- und Sozialwesen gibt es noch nicht. Umgekehrt müssen aber auch alle Versorgungsbereiche auf den Prüfstand. Insbesondere der Gesundheitssektor leistet einen wesentlichen Beitrag zum Problem, indem er Treibhausgase direkt und indirekt freisetzt. Auch hier fehlen generell Daten, um effektive Gegenmaßnahmen zu bestimmen.

Sozial- und Klimapolitik verknüpfen

Der Klimawandel wirkt wie eine Lupe und vergrößert die bereits bestehende Probleme durch Über-, Unter- und Fehlversorgung in den Systemen. Ein Beispiel dafür sind die immer noch unzureichenden Investitionen in die Prävention. Daneben drohen sich soziale Schieflagen zu verschärfen, sollte politisch nicht gegengesteuert werden. Die EU hat sich dem angenommen. So verpflichtet sie sich mit dem Maßnahmenpaket für den grünen Wandel „Fit for 55“, bei der Verwirklichung ihrer Klimaziele einen fairen und sozialgerechten Übergang zu gewährleisten und somit sozialpolitische Ziele mit zu berücksichtigen. Das muss auch in die andere Richtung gelten: Klimapolitische Ziele müssen in der Sozialpolitik verankert werden, um ein soziales klimaneutrales Europa zu schaffen.

Kommunikation ist wichtig

Für beide Trends – Digitalisierung und Klimawandel – gilt: Die notwendig werdenden Veränderungen können Angst machen. Deshalb ist es wichtig, die Menschen mitzunehmen, ein Problembewußtsein zu entwickeln und zu motivieren, sich den Herausforderungen zu stellen. Die Kommunikation wird entscheidend dazu beitragen, wie gut die Transformationsprozesse bewältigt werden.